Zum 80. Jahrestag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland. Eine Fachbroschüre von Dr. Viktor Krieger
Die neue BKDR-Broschüre mit dem Titel „Die Lage der deutschen Minderheit im Spätstalinismus“ geht der Frage nach, wie sich die bedingungslose Kapitulation des Hitler-Deutschlands am 8. (9.) Mai 1945 auf die gesellschaftspolitische Stellung der deutschen Sowjetbürger auswirkte. Das Kriegsende bedeutete für sie das damit verbundene Aufheben des Lagerregimes, die Befreiung von der Zwangsarbeit und eine – wenn auch mit vielen Hürden verbundene – Zusammenführung der zuvor jahrelang getrennten Familienmitglieder. Ihre wirtschaftliche und soziale Situation begann sich langsam zu verbessern.
Allerdings erhielten die Sowjetbürger deutscher Nationalität nicht die verfassungsmäßig garantierten persönlichen und Kollektivrechte zurück, sondern wurden zu Personen minderen Rechts erklärt: Als Sondersiedler befanden sie sich in der Verfügungsgewalt der Sonderkommandanturen des Innenministeriums, durften die für sie bestimmten Verbannungs- bzw. Siedlungsorte im asiatischen Teil des Landes nicht verlassen und mussten in der Regel schwere körperliche Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft, auf Baustellen und in der Industrie leisten. Die enthemmte germanophobe Staatspolitik der Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre hat das Leben von Hunderttausenden verleidet. Erst nach der Aufhebung des Sondersiedlerstatus im Jahre 1956 gehörten die Deutschen formalrechtlich zu den vollwertigen Sowjetbürgern, obwohl sie bis Ende der 1980er-Jahre weiterhin mit zahlreichen Diskriminierungen in allen gesellschaftspolitischen und kulturellen Bereichen konfrontiert wurden. Immer wieder mussten sie deutschfeindliche Erfahrungen machen, die sowohl von den Partei- bzw. staatlichen Institutionen ausgingen als auch im privaten Umfeld stattfanden. Bis heute bleibt die deutsche Minderheit in Russland die einzige nicht vollständig rehabilitierte Bevölkerungsgruppe.
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