Deutsche Siedlungen im Porträt – Messer (heute Ust-Solicha)

Zum Ende des Jahres möchten wir Ihnen nochmals ein echtes Highlight präsentieren: Ein neuer Videobeitrag im Rahmen der BKDR-Bildungsreihe „Deutsche Siedlungen im Porträt“ über die ehemalige deutsche Kolonie Messer.

Messer galt als eines der vorbildlichsten Umsiedlungsdörfer. Im Gegensatz zu anderen Kolonien stammten alle Erstsiedler aus der gleichen Region Deutschlands. Sie betrieben zunächst Landwirtschaft und waren damit sehr erfolgreich. Sie bauten Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Hirse, Sonnenblumen und Hanf an. Mais ist eine gesonderte Erwähnung wert: In Russland wird die Initiative zum Anbau von Mais in der Regel mit dem Namen des ehemaligen Ministerpräsidenten der Sowjetunion Nikita Chruschtschow verbunden. Die Messer-Kolonisten führten diese landwirtschaftliche Innovation jedoch fast 100 Jahre früher ein. Darüber hinaus erfand ein Kolonist namens „Rit“ den sogenannten „Kizyak“ bzw. „Dungtorf“, eine dicke Mischung aus Dung und Stroh, die in Stücke geschnitten wurde und das Brennholz zum Heizen der Häuser ersetzte. Bereits 1894 waren etwa 600 Einwohner mit der Herstellung von Sarpinka-Stoffen beschäftigt. Es brachen zudem immer wieder Cholera- und Pockenepidemien aus. Besonders verheerend für die Gemeinde war die Epidemie von 1892, die auf die Dürrekatastrophe im vorherigen Jahr folgte. Einem Augenzeugen zufolge, Pastor Eichhorn, sammelten die Dorfbewohner „Aas auf, zermalmten es und kochten die Knochen, um sich irgendwie zu ernähren“.

Das historische Zentrum des Dorfes ist bis heute fast in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben. Die lutherisch-reformierte Gemeinde von Ust-Solicha errichtete hier 1911 eine Kirche. Die Kirche spielte vor allem während Epidemien und Hungersnöten eine zentrale Rolle bei der Hilfe, da sie über eigene Reserven verfügte. Sie unterstützte die Gemeindemitglieder während der Jahre so gut sie konnte. Die sowjetischen Behörden „bewerteten“ den Beitrag des Klerus zum Kampf gegen die nationale Katastrophe jedoch auf eine eigentümliche Weise. Unter Berufung auf die Notwendigkeit, den Hunger zu bekämpfen, führten später die Bolschewiki eine Kampagne zur Beschlagnahme von Kircheneigentum durch, entzogen den Kirchen ihre wirtschaftliche Grundlage und organisierten Repressionen gegen Pfarrer. So wurde beispielsweise der Pfarrer Liborius Bening 1931 verhaftet. 1932 wurde der Pfarrer Eduard Hermann Eichhorn verhaftet und ins Exil geschickt. Die Kirche in Ust-Solicha wurde 1937 geschlossen.

Das Video finden Sie auf unserem YouTube-Kanal „BKDR Kulturzentrum“ oder unmittelbar hier eingebettet:

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BKDR-Bildungsreise „Auf deutschen Spuren in Georgien“

Die diesjährige BKDR-Bildungsreise „Auf deutschen Spuren in Georgien“ führte etwa 20 Teilnehmer in den eurasischen Staat im Südkaukasus, der östlich des Schwarzen Meeres und südlich des Großen Kaukasus – der größten Gebirgskette im Kaukasus – gelegen ist. Hier leben knapp vier Millionen Menschen. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung lebt im Großraum Tiflis.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden hier einige deutsche Siedlungen gegründet, die bis zur Deportation der deutschstämmigen Bevölkerung im Jahre 1941 existierten. Heute leben kaum noch Deutsche in diesen Gebieten, jedoch wird das kulturelle Erbe der einstigen Siedler vielerorts auch heute noch gepflegt und für künftige Generationen bewahrt.

Schauen Sie sich auf unserem YouTube-Kanal gerne den Videobeitrag zur eindrucksvollen Exkursion an und vergessen Sie nicht unseren Kanal zu abonnieren:

Wolgadeutsche Volkslehrer an den Fronten des Ersten Weltkrieges

Der Erste Weltkrieg 1914-1918, den der amerikanische Historiker George Kennan als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, hat im Russischen Reich am stärksten die deutsche Minderheit getroffen. Es lag in erster Linie an der militärischen Konfrontation mit dem Deutschen Reich, infolgedessen nicht nur der „äußere Deutsche“, d.h. die Bewohner Deutschlands, sondern auch der „innere Deutsche“, die deutschsprachigen bzw. -stämmigen Bürger des eigenen Landes zu Feinden Russlands erklärt wurden [siehe: „Den inneren Deutschen besiegen„].

Immerhin fand im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg bzw. dem „Deutsch-Sowjetischen Krieg“ 1941-45 noch keine totale Entrechtung der „russischen“ Deutschen statt – ungeachtet zahlreicher Diskriminierungen, antideutscher Propaganda, beginnender Enteignungen oder gar partieller Deportationen aus den frontnahen Gebieten. Der wichtigste Unterschied betraf die Rekrutierungspraxis: Der deutschbaltische Adlige oder ein Schwarzmeer- oder Wolgakolonist wurden gleichermaßen wie andere Vertreter aus den Reihen der russländischen Völker (ausgenommen zentralasiatische und sibirische Ureinwohner) zum Dienst an der Front einberufen.

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Statistik des Monats „Dezember“

Nachdem wir im vergangenen Monat die Armutsgefährdungsquoten der Bevölkerung 2019 vorgestellt hatten, widmen wir uns in diesem Monat einem neuen Themenkomplex, nämlich der „Verteilung der Wohnorte von (Spät-)Aussiedlern 2019.“

Bei der Verteilung der Wohnorte von (Spät­-)Aussiedlern zeigen sich deutliche Konzentrationen auf einige Gebiete. Etwa 90 Prozent der gesamten Gruppe haben ihren Wohnsitz in den sechs großen westdeutschen Flächenländern. Dieser Umstand gilt unabhängig davon, ob Aussiedler oder Spätaussiedler betrachtet werden und auch unabhängig vom Geburtsland der Personen. Der geringe Anteil der ostdeutschen Bundesländer von insgesamt lediglich 3 Prozent (ohne Berlin) begründet sich zwar teilweise dadurch, dass dorthin erst seit der Wiedervereinigung eine Zuwanderung von (Spät-­)Aussiedlern nach dem Bundesvertriebenen­ und Flüchtlingsgesetz (BVFG) erfolgen konnte. Allerdings ist ein großer Anteil der Personen nach 1990 in das vereinigte Deutschland zugezogen. Der Anteil der ostdeutschen Bundesländer ohne Berlin nach dem Königsteiner Schlüssel, der für die Erstverteilung der (Spät-)Aussiedler herangezogen wird, betrug im Jahr 2019 beispielsweise 15 Prozent (GWK o. J.). In Kombination mit dem von 1989 bis 2009 gültigen „Wohnortzuweisungsgesetz“ ist daher von einem hohen Anteil an Fortzügen aus Ostdeutschland nach Abschluss der Verteilungsmaßnahmen bzw. dem Auslaufen der Wohnortzuweisung auszugehen.

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Erste russlanddeutsche Akademiker im Zarenreich (Folgen 27 und 28)

Die Steinwandsein akademischer Familienverband aus Bessarabien

Daniel Steinwand (1857-1919), ein Porträt aus der Zeit um 1910. © Bundesarchiv, Berlin

Nachdem wir in den letzten Folgen dieser Reihe die Familie Seib vorgestellt hatten, möchten wir dieses Mal auf die Mitglieder der Familie Steinwand aus der ehemaligen deutschen Kolonie bzw. Siedlung Klöstitz in Bessarabien eingehen. Als Erster aus dieser Familie wurde Daniel Steinwand (1857–1919) Akademiker. Seine Eltern waren früh gestorben und er war deshalb zunächst in die Obhut von entfernten Verwandten aus der benachbarten Siedlung Sarata gekommen. Obwohl Daniel Steinwand „wenig Anregung für geistige Tätigkeit fand“ (wie ein Zeitgenosse von ihm bemerkt hatte), ließ er sich nicht entmutigen und kümmerte sich mit einem eisernen Willen um seine eigene Bildung, der ihn schließlich nach Dorpat, an die dortige Universität, führte. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums amtierte er ab 1886 als Pastor im Kirchspiel Worms-Johannistal und ab 1908 in Odessa.

Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, engagierte sich stark im Gemeinde- und Gesellschaftsleben. Die Liste seiner ehrenamtlichen Ämter und kulturellen Aktivitäten ist recht lang. Hier nur einige davon: Er regte jährliche Lehrerkonferenzen seines Kirchspiels an und gründete 1887 in Worms eine Schule für taubstumme Kinder samt Internat, Lehrerwohnungen und Werkstätten. Im „Südrussischen Deutschen Verein“ kümmerte er sich von 1906 bis 1914 um Schul- und Kirchenangelegenheiten. Er war einer von Initiatoren bei der Gründung des „Evangelischen Lazaretts für verwundete russische Krieger“, das 1914 in Odessa eröffnet wurde. Darüber hinaus entfaltete Pastor Steinwand eine rege publizistische Tätigkeit: Er gab Sammlungen seiner Predigten und Reden heraus, veröffentlichte zahlreiche Artikel in der „Odessaer Zeitung“ sowie anderen Presseorganen und redigierte etliche Jahre lang den „Christlichen Volksboten für die ev.-luth. Gemeinden in Südrussland“.

Jedem seiner vier Söhne ermöglichte er eine akademische Ausbildung bzw. Laufbahn. Zwei von ihnen gingen ebenfalls nach Dorpat und wurden genauso wie ihr Vater Pastoren: Friedrich (1888–1937) und Ludwig (1889 – nach 1941). Sein Neffe Eduard Steinwand (1890–1960) schlug eine ähnliche Laufbahn ein und wurde später sogar Professor an der Universität Erlangen.

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Akademische Viertelstunde mit Dr. Brent Mai (USA): „Wolgadeutsche in Kalifornien von 1764 bis 1882 (und bis 2022)“

Dr. Brent Mai (USA) ist Direktor des Wolgadeutschen Instituts und Dekan der Bibliothek an der University of North Florida (USA) in Jacksonville.

Das Wolgadeutsche Institut an der University of North Florida (USA) ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die auf dem Gebiet der Erforschung der Geschichte der Wolgadeutschen tätig ist, welche die russlanddeutsche Kultur und Geschichte im Beziehungsgeflecht der Kulturregion des Wolgagebietes und der USA erforscht, dokumentiert und nachhaltig zu wissenschaftlichen Zwecken konserviert.

In den beiden Forschungsbereichen der „Ahnen- und Familienforschung“ sowie der „Geschichte und Kultur der Wolgadeutschen“ führt Herr Dr. Brent Mai interdisziplinäre Projekte durch und pflegt weltweit erfolgbringende Kontakte unter anderem gemeinsam mit dem BKDR.

In seinem zweiten Vortrag (in englischer Sprache) im Rahmen unserer Bildungsreihe „Akademische Viertelstunde“ spricht Dr. Brent Mai zum Thema „Wolgadeutsche in Kalifornien – von 1764 bis 1882 (und bis 2022)“.

Das Video finden Sie hier:

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Kalender 2024: 100 Jahre Wolgadeutsche Republik

Der Kalender 2024 ist dem 100. Jahrestag der offiziellen Gründung der sogenannten ASSRdWD, dieser kurzlebigen, mit vielen Widersprüchen behafteten, dennoch einst sehr hoffnungsvoll stimmenden wolgadeutschen autonomen Republik gewidmet.

Titelseite des Kalenders 2024.

Die Wolgadeutschen bildeten eine besondere Gruppe innerhalb der gesamten deutschen Minderheit im Russischen Zarenreich und später in der Sowjetunion. Es waren jedoch weder ihre ausgeprägten wirtschaftlichen Leistungen noch die kulturellen oder bildungsspezifischen Erfolge, durch die sie sich von anderen russlanddeutschen Gruppierungen unterschieden. Auch der Rolle eines „Musterwirts“ entsprachen eher die Schwarzmeerdeutschen oder die Mennoniten.

Es waren andere Faktoren, die ihre einzigartige Stellung untermauerten: Sie galten nämlich als Russlandpioniere, die sich durch eine kompakte Siedlungsweise und außergewöhnliche demografische Dynamik auszeichneten. Allein sie unter allen Gruppen der Deutschen im Russischen Reich und in der Sowjetunion, bzw. in den ersten beiden Jahrzehnten der bolschewistischen Herrschaft, besaßen wichtige Voraussetzungen, um eine in sich mehr oder weniger geschlossene „Nation“ zu werden – etwa so wie die Frankokanadier. Daher war es nicht verwunderlich, dass die Wolgadeutschen von den sowjetischen Machthabern offiziell als eine eigenständige und bedeutende Volksgruppe – genauso wie die Usbeken, die Tschuwaschen, die Kalmücken oder auch die Kasachen – anerkannt wurden, in den Genuss der Autonomierechte kamen und infolgedessen am 6. Januar 1924 die Autonome Sowjetische Sozialistische Republik der Wolgadeutschen, ASSRdWD, ausrufen durften.

Dieser Kalender entstand in Kooperation mit dem Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Osteuropa und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.

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