Ausstellungseröffnung und Vortrag im Altvaterturm

Am 5. August 2023 hielt Dr. Viktor Krieger einen Fachvortrag zur Eröffnung der BKDR-Wanderausstellung „Grundlinien russlanddeutscher Geschichte“ im Altvaterturm in Lehesten (Thüringen).

Der Altvaterturm: Begegnungsstätte und gleichzeitig als Mahnmal der Vertreibung gekennzeichnet. Foto: Klaus Gromer.

Der mehr als 35 Meter hohe Altvaterturm ist die Nachbildung einer Habsburgwarte, die 1912 auf der höchsten Erhebung der Gebirge in Schlesien und Nordmähren namens Altvater (heute „Praded“ in Tschechien) errichtet wurde. Die vertriebenen Sudetendeutschen und ihre Nachkommen haben in der Erinnerung an ihre alte Heimat diesen Turm nachgebaut (Einweihung 2004). Auf mehreren Stockwerken befinden sich verschiedene Heimatstuben mit Exponaten und Tafeln zu historischen ostdeutschen Gebieten, Büroräume des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Landsmannschaften sowie Begegnungsflächen. Dieses Bauwerk bietet daher eine ideale Kulisse für die Präsentation der Ausstellung „Grundlinien russlanddeutscher Geschichte“, die dort seit dem 5. August ausgestellt ist und auch noch in den kommenden Wochen öffentlich besichtigt werden kann.

Dr. Kriegers Vortrag berichtete dahingehend vom historischen Werdegang der deutschen Minderheit im Russischen Reich, in der einstigen UdSSR und ihrer Nachfolgestaaten. Unter den erschienenen Gästen befanden sich Vertreter des Bundes der Vertriebenen wie bspw. Horst Jüngling (stellvertretender BdV- Landesvorsitzender und Landesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien, Landesgruppe Thüringen), Lilli Schäfer (Vorstandsmitglied der Orts- und Kreisgruppe Erfurt der LmDR, Willi Rimpl (ehemaliger Bürgermeister von Lehesten und z. Zt. Ehrenbürgermeister der Stadt). Der Vortrag wurde mit einem Grußwort von René Steinbach (Stadtrat Lehesten) eröffnet.

Während des Vortrages skizzierte Dr. Krieger zunächst die Besonderheiten des Russischen Reiches als flächenmäßig größtes Land der Erde, das zum einen infolge vieler Eroberungskriege zum Vielvölkerstaat wurde und zum anderen einen Riesenbedarf an Siedlern zur Erschließung und Kultivierung von dünnbevölkerten Territorien benötigte. 

Dr. Viktor Krieger während seines Vortrages im Rahmen der Ausstellungseröffnung. Foto: Klaus Gromer.

Dazu wurden seit Mitte des 18. Jh. von der russischen Zarin Katharina II. Europäer eingeladen und viele Vergünstigungen versprochen – vor allem deutsche Handwerker und Bauern folgten diesen Aufrufen, leisteten bei der Ankunft in Russland einen Eid auf die Zarin bzw. den Zaren und wurden schwerpunktmäßig im Wolga- und im Schwarzmeergebiet angesiedelt. Obwohl sie als treue russische Untertanen stets loyal zu ihrem neuen Vaterland hielten, ihren Staatspflichten nachgingen und als Soldaten und Offiziere an russischer Seite in vielen Kriegen standen, nicht zuletzt im Ersten Weltkrieg, hat man ihnen trotzdem seit Ende des 19. Jh. zunehmend Misstrauen entgegengebracht und sie seit dem Ausbruch des großen europäischen Krieges enteignet und diskriminiert. Die ersten Deportationen fanden bereits seit 1915 statt (Wolhyniendeutsche).

Dieses grundsätzliche Misstrauen, von den Rivalitäten mit Deutschland genährt, hat sich grundsächlich auch im Sowjetstaat nach 1917 fortgesetzt, nur kurzzeitig durch die Etablierung des wolgadeutschen autonomen Gebiets bzw. der Republik (ASSR der Wolgadeutschen) abgemildert. Dies führte schließlich 1941 zu einer radikalen Lösung der „russlanddeutschen Frage“: Auflösung der Autonomen Republik, Deportation aller Vertreter der Minderheit aus dem europäischen Teil der UdSSR nach Sibirien und Mittelasien, Einsatz von arbeitsfähigen Männern und Frauen im Zwangsarbeitslager, entschädigungslose Konfiskation ihres Hab und Gutes, Vernichtung des russlanddeutschen kulturellen Erbes und rücksichtslose Russifizierung.

Die Sowjetunion war auch das einzige osteuropäische Land, dass nach 1945 ihre einstigen Bürger deutscher Nationalität, die ins Deutsche Reich gelangten, zurückgefordert bzw. zwangsrepatriiert hat. Diese gravierenden Rechtsbrüche und jahrzehntelange Verfolgung und Diskriminierung lösten bei den meisten Vertretern der Minderheit den Wunsch aus nach Deutschland überzusiedeln, um sein Leben in Freiheit unter Gleichen fortführen zu dürfen. Die Bundesrepublik als Nachfolgerin des Dritten Reiches hat ihr Kriegsfolgenschicksal anerkannt und ihnen diesen Weg als (Spät)Aussiedler ermöglicht.

In der darauffolgenden Diskussion ging es u. a. über die Folgen des russisch-ukrainischen Krieges für die deutsche Minderheit in den betroffenen Ländern.

Das Zustandekommen dieser Veranstaltung verdanken wir maßgeblich Klaus Gromer, einem aktiven Mitglied des Altvater-Vereins, der nicht nur als Gastwirt für das leibliche Wohl der Besucher des Altvaterturmes sorgt, sondern auch eine „Kulturscheune“ in der Nähe von Bad Lobenstein betreibt und in vielerlei Hinsicht äußerst engagiert ist.

Nachstehend sehen Sie einige Eindrücke der Ausstellungseröffnung mit dem entsprechenden Vortrag sowie einigen tollen Aufnahmen des Altvaterturmes.