Deportationserlass vom 28. August 1941

Dr. Krieger während seines Vortrags im BKDR am 28. August 2020 anlässlich zum Tag der Russlanddeutschen.

Das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland sowie die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland legten am 28. August 2020 gemeinsam einen Kranz am zentralen Denkmal „Flucht und Vertreibung“ in Nürnberg nieder. Auf den Tag genau vor 79 Jahren veröffentlichte die Sowjetregierung den Erlass „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen“, in dem die Deutschen der Sowjetunion pauschal beschuldigt worden waren, Feinde des Volkes und Spione zu sein. Es folgten Vertreibungen und Deportation.

Nach dem Gedenkakt am zentralen Denkmal „Flucht und Vertreibung“ in Nürnberg hielt Dr. Viktor Krieger einen Vortrag zum Thema „Deportationserlass vom 28. August 1941“ im BKDR ab. Diesen möchten wir Ihnen nicht vorenthalten:

Besuch aus Hessen

Das Bundesland Hessen ist Patenland der Wolgadeutschen und fördert seit vielen Jahren Aktivitäten im Bereich der Deutschen aus Russland.Seit 1999 beruft die Hessische Landesregierung einen Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler, seit 2009 hat Margarete Ziegler-Raschdorf (MdL) dieses Amt inne.Vertreter der IDRH Hessen, Interessengemeinschaft der Deutschen aus Russland, waren heute zum Erfahrungsaustausch und zur Klärung von Kooperationsmöglichkeiten in Nürnberg. Nach einer Führung durch das Kulturzentrum und gegenseitigen Berichten über die zurückliegenden Maßnahmen, stellte IDRH eine größere Projektidee für das Jahr 2021 vor. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass eine engere Zusammenarbeit länderübergreifende Synergien erzeugen kann. Nun geht es darum, die besprochenen Vorhaben zu konkretisieren und die jeweiligen Möglichkeiten und Ressourcen zu prüfen.Waldemar Eisenbraun, BKDR-Geschäftsleiter, sicherte Unterstützung im Bereich der wissenschaftlichen Expertise zu. Albina Nazarenus-Vetter, Geschäftsführerin der IDRH Hessen, nannte das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland ein großes Vorbild für die Bestrebungen in Hessen.

Fortbildung und Vernetzung

Die Mitarbeiter des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland waren heute auf Initiative der Geschäftsleitung, Waldemar Eisenbraun, im Rahmen einer Fortbildung im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen.

Wolfgang Freyberg, Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen, führte die Belegschaft des BKDR durch die Räumlichkeiten und brachte den wissbegierigen Zuhörern die Geschichte und Kultur der Ostpreußen näher. Darüber hinaus gab er einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise des Kulturzentrums und stand stets für Fragen zur Verfügung. Für den konstruktiven und wissenswerten Tag sowie die Gastfreundlichkeit bedankt sich das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland bei Herrn Freyberg und seinen Mitarbeitern.

28. August – Tag der Russlanddeutschen

Das BKDR und die LmDR (Ortsgruppe Nürnberg) legten vergangenen Freitag gemeinsam einen Kranz am zentralen Denkmal „Flucht und Vertreibung“ in Nürnberg nieder. Am 28. August 1941 veröffentlichte die Sowjetregierung den Erlass „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen“, in dem die Deutschen der Sowjetunion pauschal beschuldigt worden waren, Feinde des Volkes und Spione zu sein. In den Wochen darauf folgten Verbannungen und Deportation von Hunderttausenden der UdSSR-Deutschen nach Sibirien und Kasachstan, wo sie Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen leisten sowie Kälte, Hunger und Tod erfahren mussten. Im Beisein von bekannten Gästen wie z. B. des 1. Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags Karl Freller, der CSU-Stadträtin Helmine Buchsbaum, die als Vertretung des Nürnberger Oberbürgermeisters Marcus König (Schirmherr der Veranstaltung) bewegende Worte an die Teilnehmer richtete, sowie einigen weiteren wichtigen Vertretern aus den Reihen der SPD und der Grünen, gedachte das Kulturzentrum und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Nürnberg) der Opfer der Deportationen in der Sowjetunion vor 79 Jahren.

(c) Bilder: BKDR / Tatyana Hof im Auftrag der Ortsgruppe Nürnberg.

Der Bayerische Rundfunk hat die gesamte Gedenkveranstaltung begleitet und einen Videobeitrag erstellt. Diesen finden Sie bis zum 04.09.2020 unter: https://www.br.de/mediathek/video/franken-kompakt-die-meldungen-vom-28-august-av:5f493bce5e382b0014a630f2?fbclid=IwAR0VfcSTb-WF21xgs4stcyT_vO04g6J8t-7xCkPNqZCizGOn_7ch5232fqs.

Erste Nachkriegszeitung für die Deutschen in der UdSSR

Eingang zur Redaktion der Zeitung „Arbeit“.
© Leo Malinowski

Das Jahr 1955 brachte für die deutsche Minderheit in der UdSSR nicht nur die Befreiung vom obsoleten und erniedrigenden Kommandanturregime, sondern ebenfalls die erste Zeitung in ihrer Muttersprache, die, wenn auch ideologisch verbrämt und lückenhaft, nichtsdestotrotz über ihr Leben berichtete und sogar einige ihrer Anliegen artikulierte. Die Rede ist von der „Arbeit“. Sie wurde im sibirischen Barnaul vom 10. Dezember 1955 bis zum 27. April 1957 herausgegeben.

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„Friesennot“ und „Film der Wahrheit“

Die Bibliothek des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland beherbergt einen schmalen Band aus der Inselbücherei mit der Erzählung von Werner Kortwich: Friesennot, 1938,Taschenbuchformat, vergrößerte Schrift, 78 Seiten. Die erste Ausgabe erschien 1933 mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Es folgten weitere Ausgaben, sodass bis 1938 insgesamt mindestens 75.000 Einzelstücke gedruckt wurden.

Worum geht es in diesem Werk? Es geht um das im Dritten Reich geradezu obsessiv verfolgte Thema des „Auslandsdeutschtums“, genauer gesagt um das Schicksal der Deutschen in der bolschewistischen Sowjetunion. Es wird am Beispiel eines friesisch-mennonitischen Dorfes irgendwo „inmitten der dichtesten Wälder und Sümpfe westlich der Wolga“ (sic!) dargelegt.

Der Inhalt der Erzählung bildet eine krude Mischung aus erfundenen Lebensumständen und propagandistischen Klischees über die Leiden der „Friesen“ unter dem bolschewistischen Regime, die mit einigen überzeichneten, aber im Kern doch realen Gegebenheiten vermengt werden. Einen Eindruck der künstlerischen und historischen Qualität der Erzählung gewinnt man bereits anhand einer Leseprobe:

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„Spaziergänge entlang des Wolgaufers“

1979 beendete Frau Cunnar die Realschule in Pegnitz. Nach einem Schüleraustauschprogramm in New York sowie einer zweijährigen Ausbildung an der Nürnberger Fremdsprachenschule ging ihre schulische Laufbahn weiter. Über den zweiten Bildungsweg erlangte sie die Hochschulberechtigung. An der University of Wyoming sollte sie danach erst den Bachelor of Arts im Studienfach der International Studies und später den Master of Arts in der Anthropologie/Archäologie absolvieren. Während ihres Studiums arbeitete sie unter anderem als Verwaltungsangestellte in der Fakultät für Geologie, war Lehr- und Forschungsassistentin an der Fakultät für Anthropologie und Feldarchäologin bei Ausgrabungsprojekten in den USA, China und Sibirien. Sie war erste Ansprechpartnerin für Bibliothekare, Dozenten und Studenten, Forschende in der Benutzung der ethnografischen eHRAF World Cultures und der eHRAF Archaeology Datenbank, verfasste Tutorien und Lehrmaterial, half beim Aufbau von Teaching eHRAF und repräsentierte den HRAF Verein bei anthropologischen, archäologischen und bibliothekarischen Tagungen und Konferenzen. Zudem baute sie sich, bevor sie Teil des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland wurde, sowohl mit der „Stone Boat Farm Bed and Breakfast“ als auch mit dem „East Rock Apartment Rental“ zwei Kleinunternehmen in Connecticut (U.S.A) auf. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war sie sehr glücklich, dass sie beim BKDR Fuß fassen konnte.

(c) BKDR

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Arbeitstreffen im Regensburger Rathaus

Von Beginn an begleitete Dr. Astrid Freudenstein, ehemaliges Mitglied des Bundestages und aktuell Bürgermeisterin der Stadt Regensburg, mit großem Interesse die Entwicklungen des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland.

Beim heutigen Arbeitstreffen im Regensburger Rathaus berichtete BKDR-Leiter Hr. Eisenbraun über die aktuellen Schwerpunkte der Aktivitäten und überreichte hauseigene Publikationen an Dr. Freudenstein.

Ein besonderes Interesse weckte die beim BKDR in der Entstehung befindlichen Stadtführung mit dem Titel „Russlanddeutsche Spuren in Regensburg“. Diese soll ab Herbst 2020 angeboten werden.

Einladung und Programm der ersten Nachkriegskonferenz zu den Deutschen in der UdSSR, Juni 1989

Bis Mitte der 1980er Jahre gab es in der UdSSR kaum Publikationen, die sich mit der Geschichte und Kultur der „sowjetischen Bürger deutscher Nationalität“ befassten. Hierzu gab es weder Forschungsinstitute, Bibliotheken, Archive, Dokumentationsstätten und Museen noch historische Vereine jeglicher Art. Wer auch nur versuchte, auf diesen eklatanten Missstand zu verweisen und eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Problematik zu fordern, musste mit harten Konsequenzen bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Stellvertretend dafür steht das Schicksal einer Gruppe von deutschen Intellektuellen aus Nowosibirsk, die 1982 in dieser Angelegenheit einen Appell an sowjetische Wissenschaftler richtete. Erst die begonnene Demokratisierung der sowjetischen Gesellschaft im Zuge von Glasnost und Perestroika hat auch in diesem Bereich ein Umdenken ausgelöst. Allerdings dauerte es noch einige Jahre, bis das Thema „Deutsche in Russland bzw. in der UdSSR“ ein gleichberechtigter Teil des öffentlichen Diskurses geworden war.

Beim BKDR werden interessante Zeugnisse zu den Anfängen der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der nationalen Geschichte aufbewahrt. Es handelt sich um das Programmheft und die Einladung zur ersten offiziell zugelassenen Konferenz zur innerdeutschen Thematik seit 1941. Die Tagung „Die Deutschen in der Bruderfamilie der Sowjetvölker“ fand nach dem beinahe 50-jährigen öffentlichen Schweigen vom 16.-17. Juni 1989 in Alma-Ata, der damaligen Hauptstadt der Republik Kasachstan, statt. Die Einladung sowie das Programm sind in drei Sprachen gedruckt: Kasachisch, Russisch und Deutsch.

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David Schmidt – seine wichtigsten Publikationen

Ein weiteres Anliegen des Kulturzentrums besteht darin, seine zahlreichen, bislang kaum bekannten Schriften, die verstreut in schwer auffindbaren Zeitschriften und Zeitungen der 1920er – Anfang der 1930er Jahre veröffentlicht wurden, einem möglichst breitem Publikum zugänglich zu machen. Nachfolgend eine Liste der bereits digitalisierten Publikationen; weitere Veröffentlichungen werden folgen.

Monographie:

  • Studien über die Geschichte der Wolgadeutschen. Erster Teil. Seit der Einwanderung bis zum imperialistischen Weltkriege. Pokrowsk, Moskau, Charkow 1930, 386 S., online unter:
    https://bibliothek.rusdeutsch.eu/catalog/167

Zeitschriftenbeiträge:

  • Die Wolgadeutschen im Zuge des historischen Fortschrittes, in: Das Neue Russland (Berlin), Nr. 7‒8/1924, с. 13‒14, online unter:
    https://www.arthistoricum.net/werkansicht/dlf/182055/15/0/
  • Unsere Studenten am deutschen Sektor der kommunistischen Universität der Westvölker zu Moskau, in: Unsere Wirtschaft (Pokrowsk), 4/1925, Nr. 14, с. 426‒427:
  • Aus der Geschichte der Wolgadeutschen, in: Das Neue Russland (Berlin), Sonderheft 1-2/1926, S. 3‒4, online unter:
    https://www.arthistoricum.net/werkansicht/dlf/182061/5/0/
  • Das Pressewesen der Wolgadeutschen, in: ebenda, S. 15-18, online unter:
    https://www.arthistoricum.net/werkansicht/dlf/182061/17/0/
  • Die Wolgadeutschen im Brasilianischen Staate Parana. Festschrift zum Fünfzig- Jahr-Jubiläum ihrer Einwanderung. Stuttgart 1927, in: Wolgadeutsches Schulblatt (Pokrowsk), 2 (1928), Nr. 1, S. 53‒58 [Eine Schilderung der Auswanderung der Wolgadeutschen nach Südamerika und die Rezension der oben genannten Festschrift]:
  • Das Grundbesitzrecht in den Wolgakolonien laut Erlass vom 19. März 1764 und seine weitere Entwicklung, in: Wolgadeutsches Schulblatt, 2 (1928), Nr. 7, S. 727‒734; Nr. 8, S. 823‒880:

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Der erste professionelle Historiker unter den Wolgadeutschen

Das BKDR besitzt ein aufschlussreiches Zeugnis über den ersten professionellen Historiker aus der Mitte der Wolgadeutschen, David Schmidt (1897–1938), dem Autor des fundamentalen Werkes „Studien über die Geschichte der Wolgadeutschen“.

Es handelt sich um Erinnerungen seiner Tochter, Swetlana Schmidt (1933 – 2019), die sie 2010 niedergeschrieben hat. Zum ersten Mal erfährt man Näheres über viele Stationen des Bildungs- und Berufslebens des Historikers und Journalisten, die bislang unbekannt waren. Des Weiteren sind mehrere zuvor unbekannte Fotos von David Schmidt zu sehen – bisher wusste man nicht einmal, wie er aussah.

Gleichzeitig liefern die Erinnerungen interessante Einblicke in den Lebensweg seiner Ehefrau Eugenia, geb. Albrandt (1899-1984), einer für die damalige Zeit fortschrittlichen und emanzipierten Frau, die ebenfalls aus dem traditionellen Siedlermilieu stammte, jedoch einen beeindruckenden Bildungsweg vorweist: sie absolvierte 1918 das 5. Saratower Mädchengymnasium und studierte bis 1924 an der Rechtsfakultät der Saratower Universität. Bis zur Deportation 1941 war sie als Juristin tätig.

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Zum Kriegsende vor 75 Jahren

Heute am 8. Mai 2020 erinnern wir an das besonders schwere Schicksal der Russlanddeutschen. An der Etablierung des NS-Regimes völlig unbeteiligt, mussten sie dafür in der stalinistischen UdSSR schwer leiden: entrechtet, enteignet, nach Sibirien und Zentralasien deportiert, in Arbeitslagern eingesperrt. Zehntausende sind dabei elendig zugrunde gegangen. Als Zwangsarbeiter in der sowjetischen Kriegswirtschaft nahmen sie an der Bekämpfung der Hitlerdiktatur teil, wurden jedoch während des Krieges und danach verfolgt und unterdrückt. Die UdSSR-Deutschen durften nicht in ihre historischen Siedlungsgebiete zurückkehren und hatten kaum Möglichkeiten, die Muttersprache zu erhalten und ihre Kultur zu pflegen. Bis heute wirkt ihr tragisches Kriegsfolgenschicksal nach.

BKDR, Nürnberg

© Das Foto stammt aus dem Museum des Gymnasiums Nr. 96, Stadt Tscheljabinsk, zu den deutschen Zwangsarbeitern des Lagers Tscheljabmetallurgstroj (TschMS) des NKWD der UdSSR. Zu finden unter: http://bd-chelarhiv.eps74.ru/knpamstr/

„Davon war praktisch jede Familie betroffen“

Dr. Viktor Krieger ist seit mehr als einem Jahr beim BKDR. Grund genug, einen unserer wissenschaftlichen Mitarbeiter genauer vorzustellen: „Vorab eine kurze Erklärung: Ich persönlich bin dem Genossen Stalin irgendwie dankbar. Ohne seine Entscheidungen gäbe es mich bestimmt nicht! Unter „normalen Umständen“ hätte sich mein Vater – ein Wolgadeutscher – mit meiner Mutter aus dem Transkaukasus niemals getroffen! Dank „weiser“ Handlungen des Diktators kamen sie in der Verbannung, in der Siedlung Nowotroizkoje (Gebiet Dschambul/Südkasachstan), zusammen. Dort bin ich 1959 geboren.“, so Krieger mit reichlich Galgenhumor. Nach dem Wirtschaftsstudium in Nowosibirsk ging er einer Anstellung an der technischen Hochschule im heimischen Dschambul nach. Mit der Problematik der russland- bzw. sowjetdeutschen Geschichte begann er sich erst zu Beginn der 1980er intensiv zu beschäftigen.

Insbesondere sein Vater hinterließ einen prägenden Einfluss: „Er war mit dem Erreichten nie zufrieden.“, spricht er über seinen Vater, der zunächst Schullehrer und ab 1964 Hochschullehrer im Gebietszentrum Dschambul war. „Erst im Alter von 44 Jahren promovierte er 1974 zum Dr. rer. nat. und es war beileibe nicht einfach gewesen, sich aus einem bildungsfernen Umfeld als deportierter Deutscher in einer Nationalrepublik durchzusetzen.“, blickt er mit Stolz zurück und schätzt sich glücklich darüber, im Gegensatz zu der Großeltern- bzw. Elterngeneration, in „milderen Zeiten geboren und aufgewachsen“ zu sein.
Während der Perestroika-Zeit wurden zahlreiche Beiträge von Viktor Krieger zu historischen und politischen Themen in den Zeitungen Neues Leben, Freundschaft und Rote Fahne veröffentlicht. Gleichzeitig bereitete er eine Dissertation über Siedlungsgeographie und wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Bauern auf dem Territorium Kasachstans im Zarenreich vor. Doch es lief nicht alles nach Plan: „Angesichts der verweigerten Wiedergutmachung und der kaum erfüllbaren Hoffnungen auf die Wiederherstellung der Wolgadeutschen Republik, entschloss sich unser Familienverband, d.h. Eltern, meine Schwester mit ihrem Mann und ich, zusammen mit der Ehefrau und zwei Kindern, 1991 nach Deutschland überzusiedeln.

Alles begann mit Sprachkursen in Stuttgart und Mannheim. Währenddessen ergab sich die Möglichkeit, sich im Badischen Landesarchiv in Karlsruhe mit dem deutschen Archivwesen vertraut zu machen. Ein zweijähriges Stipendium am Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart bot eine gute Gelegenheit, bislang kaum bekannte wissenschaftliche und publizistische Werke der in- und ausländischen Autoren über die deutsche Minderheit in Russland bzw. in der UdSSR kennenzulernen. Mitunter darauf basiert seine spätere Arbeitstätigkeit: „Moderne Forschungs- und Lehrmethoden habe ich mir hauptsächlich an der Universität Heidelberg angeeignet. Dort nahm ich im Rahmen des Seminars bzw. der Professur für Osteuropäische Geschichte von 1999 bis zum Wechsel zum BKDR an mehreren Projekten teil und bot den Studierenden eine Reihe von Lehrveranstaltungen an. Zuletzt sind ein Buch zum 100-jährigen Jubiläum der Wolgadeutschen Republik (2018) und eine Online-Dokumentation über den russlanddeutschen Samisdat (2019) erschienen.
Schwerpunkte seiner Tätigkeit bilden bspw. wissenschaftliche Themen wie etwa „Bildungstraditionen im bäuerlichen Milieu“ oder „Lebenserfahrungen der Deutschen in Zentralasien“. Zudem nimmt die Frage der Vermittlung historischer Erlebnisse einen übergeordneten Platz ein. Es handelt sich um Ausstellungen zu verschiedenen Themenbereichen und populär-wissenschaftlichen Darstellungen wie etwa die Erstellung eines Dokumentations- und Bildarchivs, Vortragsreihen und universitäre Lehrveranstaltungen.

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„Es ist ein Kunststück von der Kunst zu leben“

Anlässlich der Veröffentlichung des sogenannten „Dankessongs“ im Rahmen des Projekts „Quarantänekunst“ bat das BKDR die russlanddeutsche Kabarettistin und Sängerin Viktoria Lein zu einem Interview. Das Lied thematisiert die prekäre Situation von zahlreichen Helferinnen und Helfern bzw. Menschen in den systemrelevanten Berufen während der Corona-Pandemie und hat die Optimierung von Arbeitsbedingungen für diesen Personenkreis zum Ziel. 

Viktoria Lein in der Aufnahmekabine zum Song „Precious“ .

Viktoria, Sie sind bereits eine gefragte Künstlerin und touren mit Ihrem Programm durch ganz Deutschland. Wo kommen Sie ursprünglich her?

V.L.: Ursprünglich komme ich aus Kasachstan und bin 1994 nach Deutschland umgesiedelt. Meine Musik- und Schauspielausbildung habe ich in Aktobe und anschließend in Almaty gemacht und bereits mit 19 Jahren am Deutschen Schauspieltheater als Vocal-Repetitorin und Schauspielerin gearbeitet. Nach der Auswanderung bin ich zusammen mit meinem Ehemann Heinrich Lein zuerst im Bayerischen Wald gelandet und ein Jahr später nach München umgezogen. In der Großstadt haben wir uns nach und nach die musikalische Karriere aufgebaut, was sich als ziemlich schwer erwiesen hat und worauf ich nun sehr stolz bin. Wir mussten zuerst ganz normalen Tätigkeiten (Sägewerk, Lebensmittelgeschäfte, Baumarkt, Kosmetikvertrieb, Werbeagentur etc.) nachgehen, um uns ein stabiles Einkommen zu sichern und „werkelten“ parallel dazu in der freien Zeit an der künstlerischen Karriere. Wir hatten damals u.a. Glück, im Rahmen der Veranstaltungen der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland auftreten zu dürfen und haben dadurch unser Netzwerk erweitert und viele tolle Menschen und Kollegen kennengelernt.  

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„ZwischenHeimaten“ – Russlanddeutsche AutorInnen stellten ihre Bücher in Würzburg vor

V. l. n. r.: Andreas Peters, Eleonora Hummel, Mara Michel, Gerd Michel und Artur Rosenstern im Kunsthaus Michel in Würzburg.

Würzburg. Am 28. Februar 2020 präsentierte die mit mehreren bedeutenden Preisen ausgezeichnete russlanddeutsche Autorin Eleonora Hummel aus Dresden im Kunsthaus Michel ihren neuen Roman „Die Wandelbaren“.  Andreas Peters stellte die vor kurzem erschienene Anthologie „ZwischenHeimaten“ vor, die 2019 vom BKDR und dem Literaturkreis der Deutschen aus Russland herausgegeben wurde. Artur Rosenstern moderierte die Lesung und las Gedichte.

Der Autor Andreas A. Peters, der erst 2019 mit dem bundesweit ausgeschriebenen katholischen SCIVIAS-Literaturpreis des Bistums Limburg ausgezeichnet wurde, trat als Erster auf und faszinierte geradezu die Zuhörer mit seinen ebenso tiefgründigen wie humorvollen Texten. Ihm gelang es, ernsthafte Themen wie    z. B. Trisomie auf eine zutiefst beeindruckende Art und Weise literarisch zu verarbeiten und vorzutragen. Er studierte u. a. Theologie und Philosophie, war in Russland als Kolchosen- und Metallarbeiter, später als Dozent und Pastor tätig, er lebt in Laufen (Bayern) und Salzburg und arbeitet zurzeit als Krankenpfleger am Uni-Klinikum Salzburg. Ein bewegtes Leben hat er hinter sich mit seinen 61 Jahren. Bislang erschienen von ihm mehrere Lyrik- und Prosabände, zuletzt das durchaus markante Büchlein „Orchester der Hoffnung unter der Leitung der Liebe“, welches Peters im Rahmen der Lesung ebenfalls vorstellte.

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BKDR beim „Forum Soziale Stadtentwicklung“ und Workshop „Geisteswissenschaft und Archive“

Dr. Viktor Krieger hat im vergangenen Monat in Bamberg am „Forum Soziale Stadtentwicklung“ des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen e. V. (VdW Bayern) teilgenommen. Dabei hielt er im Rahmen der Veranstaltung einen Vortrag zum Thema: „Vom russischen Kolonisten zum Bundesbürger – Hauptstationen der russlanddeutschen Geschichte und ihre Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Siedler und ihrer Nachkommen.“
In dem Vortrag wurde ersichtlich, welche Erfahrungen die deutsche Minderheit im Umgang mit staatlichen Institutionen und gleichzeitig verschieden Völkern seit der Auswanderung in das damalige Russische Reich gemacht hat. Genau diese historischen Erlebnisse und Kenntnisse wurden vor den Spiegel der heutigen Gesellschaft in Deutschland gehalten und es wurde veranschaulicht, inwiefern und auf welche Art und Weise das Leben der Deutschen aus Russland dadurch noch bis heute geprägt wird.

Bamberg. Dr. Krieger beim „Forum Soziale Stadtentwicklung“.
Foto: VdW Bayern / Klaus D. Wolf.

Darüber hinaus nahmen unsere wissenschaftlichen Mitarbeiter, Prof. Dr. Olga Litzenberger und Dr. Viktor Krieger, im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms am Workshop „Geisteswissenschaft und Archive“ teil. Der Workshop wurde dabei vom Hessischen Landesarchiv organisiert und in den Räumlichkeiten des Staatsarchivs Darmstadt durchgeführt. An der Tagesordnung standen mehrere Vorträge von Wissenschaftlern, Bibliothekaren und Archivaren, die zum einen interessante Einblicke in die modernen Forschungsmethoden und Quellenarbeit boten und zum anderen die Potentiale von regionalen Archiven und ihren Digitalisierungsstrategien darlegten.

„Es passiert mir immer wieder und das seit etwa 13 Jahren“

Vladimir Andrienko ist ein russlanddeutscher Komödiant und sprach im Interview mit dem BKDR über die Wahrnehmung seiner Person in der Gesellschaft und die Sozialisierung in Deutschland.

Vladimir Andrienko ist am 23.12.1979 im Dorf Izobilny in der Region Zelinograd – im Norden Kasachstans – geboren. In Astana hat er an der dortigen Hochschule Geschichte studiert. Nach seiner Ankunft in Deutschland absolvierte er an der Hochschule Düsseldorf das Studium der Sozialen Arbeit bzw. Sozialpädagogik. Genau in diesem Bereich ist der Komödiant auch heute noch hauptberuflich tätig. Im Alter von 22 Jahren ist er als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen und entstammt sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits einer russlanddeutschen Familie.
Mit Comedy begann er bereits im Schulalter in Form von Nachstellungen kleinerer Sketche aus dem TV. Auf jahrelange Erfahrung aus der Zeit an der Universität Astana im berühmten studentischen KWN-Club (Klub der Lustigen und Schlagfertigen) kann er ebenfalls zurückgreifen. Später legte er den Fokus ausschließlich auf Duo-Comedy – bis hierhin alles nur auf Russisch. Ende 2014 hat er dann mit Stand-up-Comedy auf Deutsch angefangen. Seit nun schon fast 17 Jahren lebt er in Deutschland.

S.B.: Werden Sie häufig für einen Russen gehalten? Wie reagieren Sie dann und nehmen Sie es den Leuten übel?

V.A.: Ja, ich werde fast immer für einen Russen gehalten und als eben dieser benannt. Das liegt an meinem Akzent. Für andere Personen wird direkt ersichtlich, dass ich nicht in Deutschland geboren bin. Das ist auch nicht weiter schlimm – es ist ein Fakt. In Deutschland wird das Leben von Kategorisierungen in allen Bereichen geprägt. Alle versuchen so schnell wie nur möglich etwas Neues immer irgendwo einzuordnen. Damit wird vieles auf persönlicher Ebene erleichtert. So erkläre ich mir das. Es passiert mir immer wieder und das seit etwa 13 Jahren. Anfangs habe ich etwas genervt darauf reagiert, aber mittlerweile stört es mich überhaupt nicht mehr und ich nehme es mit Humor. 

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Treffen im BKDR mit Prof. Dr. Julia Obertreis aus Erlangen

V. l. n. r.: Julia Obertreis, Viktor Krieger und Olga Litzenberger.

Erst kürzlich fand in den Räumlichkeiten des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland ein Treffen mit Frau Prof. Dr. Julia Obertreis statt, die den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt der Geschichte Osteuropas an der Universität Erlangen-Nürnberg leitet. Am Gespräch nahmen Dr. Viktor Krieger und Prof. Dr. Olga Litzenberger, beide wissenschaftliche Mitarbeiter des Kulturzentrums, teil.

Im Laufe des zweistündigen Gedankenaustausches wurde ein grundsätzliches Interesse an der Zusammenarbeit beider Institutionen wie etwa bei studentischen Praktika oder an studiengangsunabhängigen Lehrveranstaltungen bekundet. Gleichzeitig kam die Idee eines gemeinsamen Zeitzeugenprojekts auf, das vom Alltagsleben der Deutschen in Zentralasien handelt.

„Motorrad mit kaputtem Auspuff“

Am 15. Februar 2020 waren der russlanddeutsche Komödiant Vladimir Andrienko und die Tanzgruppe „Surprise“ von der Tanzschule Franz Hof zu Gast beim BKDR in der Sandstraße 20A in Nürnberg.

Vladimir Andrienko, im Alter von 27 Jahren nach Deutschland gekommen und studierter Sozialarbeiter aus Düsseldorf, reiste mit seinem Programm „Motorrad mit kaputtem Auspuff“ zum Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland nach Nürnberg.
Der in Kasachstan geborene Komödiant brachte die Zuschauer gekonnt zum Lachen. Zurückgreifen konnte er dabei auf seine jahrelange Erfahrung aus der Zeit an der Universität Astana im berühmten studentischen KWN-Club (Klub der Lustigen und Schlagfertigen). Doch nicht nur das. Er regte die Leute mit den teils gesellschaftskritischen Witzen mitten aus dem Leben eines Deutschen aus Russland zum Nachdenken an. Er nahm Bezug zu denjenigen Leuten, auf die man im Laufe seines Lebens immer wieder aufs Neue trifft und einem vermitteln möchten, dass man „nicht das Richtige tue“ und „mit dieser Sache doch sowieso nichts erreichen werde.“ – alles auf lustige Art und Weise mit russlanddeutschen Bezügen verpackt.
Die Quintessenz bestand darin, dass man zu jedem Zeitpunkt genau das tun soll, was einem Spaß macht. Man darf sich nicht von seinem Weg abbringen lassen und dürfe nie den Glauben an sich selbst verlieren, denn mit „harter Arbeit und einem klaren Fokus sei viel möglich.“, so Andrienko.
Sowohl vor dem Auftritt als auch kurz nach der Zwischenpause heizte die Tanzgruppe „Surprise“ mit russlanddeutschen Tänzen in ansehnlichen Outfits ordentlich ein rundete einen gelungenen Abend vollends ab.

In unserer Galerie finden Sie einige Eindrücke der Veranstaltung.

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Die Zarin Katharina die Große und das Einladungsmanifest vom 22. Juli 1763 in englischer Sprache

Bekanntlich leitete das berühmte Manifest der Zarin Katharina II. (Regierungszeit 1762 – 1796) vom 22. Juli 1763 die massenhafte Einwanderung von ausländischen Siedlern ins Russische Reich ein. Es sicherte ausländischen Siedlern zahlreiche Rechte zu und versprach vielerlei Vergünstigungen: Fahrt zum gewählten Wohnort auf Staatskosten, kostenlose Zuteilung von Land, freie Steuerjahre, innere Selbstverwaltung, Befreiung vom Militärdienst, Gottesdienst, Schulunterricht und Amtshandlungen in der Muttersprache und dergleichen. Ein durchschlagender Erfolg zeigte sich vor allem in den deutschen Kleinstaaten und freien Reichsstädten.

Hier die Urfassung dieses Erlasses in deutscher Sprache aus der Sammlung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen:

https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN619069759

Da Katharina II. gebürtige deutsche Prinzessin war, geboren 1729 als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin, und die eingewanderten Kolonisten größtenteils ebenfalls aus deutschen Ländern kamen, machte sich nicht nur in der russisch-chauvinistischen oder landsmannschaftlichen Publikationen der Glaube breit, dass die „deutsche“ Zarin explizit nur ihre Landsleute zur Besiedlung nach Russlands eingeladen hat. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass im Text dieses Rechtsaktes jegliche Präferenz oder auch nur die einfache Erwähnung einer konkreten nationalen Gruppe komplett fehlt. Im Dokument ist die Rede ausschließlich von „Ausländern“. Eine weitere Ursache des Missverständnisses ist wohl dem Umstand geschuldet, dass man kaum zur Kenntnis nahm, dass das Manifest von Anfang an übersetzt in verschiedenen Sprachen publiziert und in ganz Europa und darüber hinaus verbreitet wurde. Auch die Wissenschaft bezieht sich bis heute fast ausschließlich auf die russische Originalfassung oder auf die deutschsprachige Übersetzung. Umso wichtiger ist der Umstand, dass es dem BKDR gelungen ist, eine englischsprachige Fassung des Einladungsmanifestes aus dem Jahr 1763 als hochwertige Kopie aus dem Russländischen Staatsarchiv der Altertümlichen Akten RGADA in Moskau zu bekommen.

Dies ist ein wichtiger Beweis für die vorherrschende Absicht der damaligen russischen Regierung, zu den Zwecken der Urbarmachung und Besiedlung der unterentwickelten Territorien nicht nur deutsche, sondern auch andere, vornehmlich europäische Kolonisten einzuladen.

Hier der Text der abgebildeten Seite des Dokuments:

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