Der erste professionelle Historiker unter den Wolgadeutschen
Das BKDR besitzt ein aufschlussreiches Zeugnis über den ersten professionellen Historiker aus der Mitte der Wolgadeutschen, David Schmidt (1897–1938), dem Autor des fundamentalen Werkes „Studien über die Geschichte der Wolgadeutschen“.
Es handelt sich um Erinnerungen seiner Tochter, Swetlana Schmidt (1933 – 2019), die sie 2010 niedergeschrieben hat. Zum ersten Mal erfährt man Näheres über viele Stationen des Bildungs- und Berufslebens des Historikers und Journalisten, die bislang unbekannt waren. Des Weiteren sind mehrere zuvor unbekannte Fotos von David Schmidt zu sehen – bisher wusste man nicht einmal, wie er aussah.
Gleichzeitig liefern die Erinnerungen interessante Einblicke in den Lebensweg seiner Ehefrau Eugenia, geb. Albrandt (1899-1984), einer für die damalige Zeit fortschrittlichen und emanzipierten Frau, die ebenfalls aus dem traditionellen Siedlermilieu stammte, jedoch einen beeindruckenden Bildungsweg vorweist: sie absolvierte 1918 das 5. Saratower Mädchengymnasium und studierte bis 1924 an der Rechtsfakultät der Saratower Universität. Bis zur Deportation 1941 war sie als Juristin tätig.
Kurz zur Person von David Schmidt: er wurde am 1. November 1897 im Dorf Zürich, Gouvernement Samara (heute: Sorkino, Gebiet Saratow) in einer Bauernfamilie geboren, absolvierte die Realschule und wurde Anhänger der revolutionären bzw. bolschewistischen Ideen. Seit 1918 war er Mitglied der kommunistischen Partei, studierte in den 1920er Jahren in Moskau und war gleichzeitig in der Vertretung der ASSRdWD bei der Regierung der RSFSR (Russische bzw. Russländische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) tätig. Seit 1920 journalistisch aktiv, begann er während des Studiums mit historischen Forschungen über Wolgadeutsche. 1927-1928 Chefredakteur (verantwortlicher Redakteur) der zentralen Republikzeitung „Nachrichten“, unterrichtete er als Dozent an den Hoch- und Fachhochschulen der Hauptstadt der ASSRdWD, Pokrowsk (seit 1931 Engels). Nach der vernichtenden Kritik seiner Monografie zur wolgadeutschen Geschichte Anfang 1932 durch das Gebietsparteikomitee verließ er die Stadt und siedelte nach Moskau über. Vor seiner Verhaftung am 8. Februar 1936 arbeitete D. Schmidt als Dekan der deutschen Fakultät des Moskauer Pädagogischen Instituts für Fremdsprachen. Wegen angeblicher Spionage und Beteiligung an einer antisowjetischen faschistischen Terrororganisation wurde er am 8. Februar 1938 erschossen. Vollständig rehabilitiert wurde dieses Opfer des Stalinismus am 22. Mai 1958.
Ein ausführlicher Lebenslauf mit einer eingehenden Würdigung seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit befindet sich derzeit in Vorbereitung.