Diplom von Konrad Kober
Die Dokumentensammlung des Kulturzentrums ist unlängst um ein aufschlussreiches Zeitdokument aus den 1930er Jahren reicher geworden. Es handelt sich um ein Zeugnis (Diplom) des Deutschen (Agro-)Pädagogischen Instituts (DPI), auch Deutsches Pädinstitut genannt, aus dem Jahr 1932, ausgestellt für Konrad Kober. Diese Hochschule war die erste akademische Bildungseinrichtung in der Autonomen Wolgadeutschen Republik und feierte 1932 ihre ersten Absolventen.
Über den jungen Akademiker Konrad Kober ist bislang recht wenig bekannt. Er wurde 1908 im Dorf „Schäfer“, zu Sowjetzeiten Kanton Krasnojar, in der Familie des einstigen Dorfältesten Johannes Kober geboren. Nach der Absolvierung des DPI arbeitete er als Lehrer. Zusammen mit seinen vier Brüdern und Schwestern wurde Konrad mit seiner Frau und drei Kindern 1941 nach Sibirien deportiert. Er kam in einem Zwangsarbeitslager während eines Grubenunglücks um.
Kurz zur Geschichte des Deutschen Pädagogischen Instituts. Der Führung der ASSR der Wolgadeutschen ist es nach zähen Verhandlungen mit der Zentralregierung gelungen, diese davon zu überzeugen, dass eine Hochschule für die Bildung nationaler pädagogischer Kader mit proletarischer Überzeugung und marxistischer Schulung dringend notwendig sei. Am 5. Oktober 1928 stimmte die Regierung der RSFSR der Eröffnung einer deutschen pädagogischen Hochschule (Pädinstitut) zu. Ein Jahr später nahm sie ihre Tätigkeit in der damaligen Hauptstadt der Republik Pokrowsk (seit 1931 Engels) auf. Die feierliche Eröffnung fand am 6. Januar 1930 statt, dem 6. Jahrestag der Umwandlung des autonomen Gebiets in die Autonome Republik. Die feierliche Rede hielt Johannes Schwab (1888-1938), der Vorsitzende des Zentralen Exekutivkomitees der Republik; in Deutschland nannte man ihn „Staatspräsident“. Er lobpreiste die Sowjetmacht, da „nur sie die freie Entfaltung der nationalen Kultur sichert“, und sparte nicht an scharfen Aussagen zum „Klassenkampf im deutschen Dorfe“.
Das Pädinstitut bestand mit einer germanistischen (sprachlichen) sowie einer historisch-ökonomischen Fakultät zunächst aus zwei Fachabteilungen. An der germanistischen Fakultät lehrten Lehrer der deutschen Sprache und Literatur für deutsche Mittelschulen, an der historisch-ökonomischen hingegen Lehrer für Gesellschaftskunde. Ab September 1931 kamen mit den Bereichen der Vorschulerziehung sowie den physikalisch-technischen (physikalisch-mathematischen) und chemisch-biologischen Fachabteilungen weitere Gebiete hinzu. Aus diesem Grund hieß das Institut einige Jahre „Deutsche Agro-Pädagogische Hochschule“.
Etwas später wurde diese Hochschule um das Lehrerinstitut mit einer Ausbildungszeit von zwei Jahren sowie einer Arbeiterfakultät und einer Abendabteilung erweitert. Bereits 1935 waren an der Hochschule 486 Studenten immatrikuliert; den vierjährigen Lehrgang absolvierten gleichzeitig 148 Diplompädagogen. Zum 1. Oktober 1939 zählte man an der Hochschule 603 und am zweijährigen Lehrerinstitut, das Lehrer für die Grundschule sowie unvollständige 7-klassige Mittelschule vorbereitete, weitere 477 Studierende. Nach der Liquidierung der Wolgadeutschen Republik Ende August 1941 erlitt die Hochschule dasselbe Schicksal wie alle anderen Institutionen der einstigen Autonomie: am 19. September beschloss das Bildungsministerium die Schließung der Hochschule und des Lehrerinstituts.
Ungeachtet einer kurzen, nur 12-jährigen Lebensdauer, ideologischer Verblendungen sowie einer permanenten Säuberung des Lehrkörpers und der Studentenschaft von „klassenfremden Elementen“, ist die Bedeutung der Hochschule für die Herausbildung der nationalen Intelligenz kaum zu überschätzen.
Abschließend ist Herrn Alexander Kelbler vom Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e. V. und Frau Eleonora Kober zu danken, die dem BKDR einige Dokumente und Fotos von Konrad Kober übergeben haben.