Erster Universitätsprofessor aus dem Umfeld der Siedler-Kolonisten

(Dokument des Monats)

Friedrich Knauer (1849-1917) aus Sarata war eine bemerkenswerte Persönlichkeit unter den ehemaligen deutschen Kolonisten in Bessarabien und weit darüber hinaus, da er der erste Universitätsprofessor aus dem Umfeld der deutschen Siedler im Russischen Reich war. Mit dem folgenden Dokument möchten wir seine handschriftliche Bittschrift aus dem Jahr 1881 vorstellen, in der der zukünftige Professor um ein sogenanntes Professorenstipendium ersuchte. Aus dieser Eingabe erfahren wir wichtige Einzelheiten über seinen bisherigen Bildungs- und Berufsweg.

Fragment der Eingabe von Friedrich Knauer 1881. @ Estnisches Nationalarchiv (das vollständige Dokument sowie seine Transkription siehe die Dateien am Ende des Beitrags):

Die Bittschrift ist ein seltenes zeitgeschichtliches Dokument aus der Feder eines Siedler-Kolonisten in Russland, der aus ärmeren, bäuerlichen Verhältnissen stammte und eine erfolgreiche akademische Laufbahn einschlug, obwohl er die russische Staatsprache erst im Erwachsenenalter erlernte. Eine Besonderheit in Bezug auf den Schreibstil fällt auf: Knauer berichtet von sich selbst in der dritten Person, wie in der damaligen Zeit üblich.

Die akademische Laufbahn von Friedrich Knauer umfasst mehrere Meilensteine: 1884 promovierte er an der Universität Dorpat, war von 1884 bis 1885 Privatdozent in Dorpat, wurde im Januar 1886 außerordentlicher und im Januar 1890 ordentlicher Professor und Lehrstuhlinhaber für Vergleichende Sprachwissenschaft und Sanskrit an der Hl. Wladimir-Universität (Kiew), wo er über dreißig Jahre lang tätig war. Er verfasste mehrere wissenschaftliche Abhandlungen und Lehrbücher über Sanskrit und indogermanische Sprachen im Allgemeinen.

Auf dem Bild: Friedrich Knauer als Student in Dorpat. @ Estnisches Nationalarchiv.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges fiel Friedrich Knauer der germanophoben Hysterie im Russischen Reich zum Opfer: Ende 1914 wurde er verleumdet, als Feind Russlands dargestellt, verhaftet und nach Sibirien verbannt. Dort erkrankte er schwer und verstarb.

Eine ausführlichere Biografie des Gelehrten bzw. die Details zu seinem tragischen Schicksal in der sibirischen Verbannung finden Sie im folgenden Aufsatz (S. 155‒158): Viktor Krieger: Siedler-Kolonisten aus Bessarabien an der Universität Dorpat, Teil I, in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender 73 (2022), S. 142‒168

Eingabe von Friedrich Knauer mit dem Lebenslauf, 1881. @ Estnisches Nationalarchiv.


Transkribierter und kommentierter Text der Eingabe von F. Knauer (Für die Transkription des Dokuments danken wir an dieser Stelle ausdrücklich Andreas Idt aus Burgrieden!):