Die Ermordung des Pastors Wuchrer – eine zeitgenössische Quelle

Samuel Wuchrer, während seiner Studentenzeit in Dorpat, 1908

Das Dokument des Monats September ist einem traurigen Ereignis gewidmet: Am 13. August 1919 wurden Pastor Samuel Wuchrer und seine Begleiter von einer marodierenden aserbaidschanischen Räuberbande überfallen und ermordet. Der Pastor und seine Mitreisenden waren unterwegs zur Beerdigung von Christian Schmidt, der aus der deutschen Siedlung Eigenfeld stammte (Kreis Schamchor, Republik Aserbaidschan) und nur einige Tage zuvor ebenfalls bestialisch ermordet worden war. Dieser grausame Raubüberfall, dem elf Personen, darunter ein vierjähriges Kind, zum Opfer fielen, wühlte die gesamte deutsche Bevölkerung im Transkaukasus und vor allem in der damals unabhängigen Republik Aserbaidschan ziemlich stark auf. Der junge talentierte Pastor, geb. 1887, Nachkomme der einstigen Kolonisten, hatte Theologie in Dorpat studiert. Ab 1913 hatte er im Kirchspiel Annenfeld als Pastor gedient und war nicht nur in seiner Gemeinde, sondern über die Grenzen hinaus allgemein sehr beliebt.

Das Dokument (die erste Seite der Zeitung „Kaukasische Post“ vom 28. August 1919) ist ein wertvoller zeitgenössischer Bericht, der unmittelbar nach der Tat verfasst wurde. Daraus können wir einiges über den Tathergang erfahren, etwa dass der im Ort gefürchtete Räuberhäuptling Sary-Sapchan-ogly – entgegen den später verfassten Erinnerungen der Betroffenen oder Zeitgenossen – mit dem Massaker höchstwahrscheinlich nichts zu tun hatte. Darauf deutet der Umstand hin, dass er – sobald die erste Nachricht von diesem Unglück eintrat – von den Einwohnern um Hilfe gebeten wurde. Er reiste persönlich in Begleitung seiner Kumpanen zum Tatort hin und traf sich vor Ort unter anderem mit dem zuständigen Polizeichef (Pristaw) sowie mit anderen aserbaidschanischen Behördenvertretern.

Der Bericht in der Kaukasische Post vom 29. August 1919, Nr. 67 (zum Vergrößern bitte auf das Dokument klicken)

Auf dem anderen Blatt wird allerdings die Tatsache erwähnt, dass dieser Bandenanführer in bester Mafiamanier die gesamte Ortschaft Eigenfeld kontrollierte und ihre deutsche Bevölkerung kontinuierlich ausraubte, sodass die Menschen sich (auch wegen der Machtlosigkeit oder des Unwillens der örtlichen Verwaltung) zum Verlassen ihres Heimatortes gezwungen sahen. Es bedarf jedenfalls weiterer Recherchen, wenn man sich ein umfassendes Bild von der schwierigen Lage der Kaukasusdeutschen während des – nach der bolschewistischen Machtergreifung 1917 – ausgebrochenen Bürgerkriegs machen will.


Ergänzung aus: Kaukasische Post vom 29. August 1919, Nr. 67.

Nachrufe anlässlich des Todes von Pastor Wuchrer