Maria Schmidt: erste wolgadeutsche Akademikerin mit einem Doktortitel
Dokument des Monats
Ein ordentliches Studium bzw. ein Hochschulabschluss waren für Frauen im Russischen Reich bis zur bürgerlichen Februarrevolution im Jahre 1917 praktisch unzugänglich. Es gab zwar einige nur für Frauen bestimmte Hochschulen und sogenannte „höhere Kurse“, doch deren Absolventinnen verfügten nach dem Abschluss über keine vergleichbaren Rechte wie ihre männlichen Kollegen. Darüber hinaus war die Auswahl der Studienfächer sehr begrenzt. Deshalb gingen viele russische Bürgerinnen zum Studium ins Ausland, wo sie mit wenigen Einschränkungen rechneten. Die Emanzipationsbewegung im Bildungsbereich erreichte nicht nur Russinnen, sondern auch die deutschen Siedlerinnen in Russland.
Kopie der französischen Promotionsurkunde („Doktordiplom“) und die russische Übersetzung, beglaubigt vom Notar A. Polubojarinow am 3. Oktober 1915 in Saratow; übersetzt von Olga Sobolewa. Das vollständige Dokument s. unten.
Bisher ist noch wenig über die Anfänge der akademischen Ausbildung von Frauen unter den deutschen Siedlern bekannt. Allerdings besuchten Dutzende sogenannter „Kolonistentöchter“ – verstärkt ab Ende des 19. Jahrhunderts – russische Mädchengymnasien und andere Arten höherer Schulen, deren Abschluss (Reifezeugnis) als Berechtigung zum Studium galt. Eine von ihnen war Maria Schmidt, die bezeichnenderweise nicht in Deutschland – was aus sprachlichen und anderen Gründen nahegelegen hätte – sondern in Frankreich an der Universität Montpellier Naturwissenschaften und Medizin studierte und im Anschluss am 29. Juli 1915 erfolgreich ihre Dissertation verteidigte.
Um einen vollberechtigten „Arzt-Titel“ in Russland führen zu dürfen, musste sich Maria Schmidt trotz des sogenannten „Doktordiploms“ bzw. der Promotionsurkunde im November 1916 und im März 1917 an der Universität Saratow eingehenden Nachprüfungen unterziehen. Erst am 30. April 1917 erhielt sie endlich die langersehnte Approbation.
Maria Schmidt wurde am 15. (27.) September 1887 in Saratow als Tochter von Heinrich und Susanne Schmidt (geb. Kniss) geboren. Ihr Vater stammte aus der Kolonie Ust-Solicha (Messer). Maria absolvierte im Oktober 1905 das Saratower Mariinski-Mädchengymnasium; für ihre ausgezeichneten schulischen Leistungen erhielt sie eine Goldmedaille. Nach dem Studium an der Universität Montpellier und den erfolgreich bestandenen Prüfungen arbeitete Maria Schmidt Anfang der 1920er-Jahre als Assistenzärztin an der Therapeutischen Klinik der Universität Saratow. In Bezug auf ihren weiteren Werdegang existieren zurzeit keine Informationen.
Quelle für Bildkopien: Staatsarchiv des Gebiets Saratow (russ. Abkürzung: GASO)
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