Neue Erkenntnisse über den wolhyniendeutschen Pfarrer Reinhold R. Henke
(Dokument des Monats)
Pfarrer Reinhold Rudolf (auch: Reinhold R.) Henke (1893–1961) gehörte zu den bekanntesten und markantesten Persönlichkeiten der Wolhyniendeutschen. Von 1923 bis 1924 wirkte er als Hilfsprediger in Pabianice und von 1924 bis 1940 als Pfarrer in Rozyszsze, im polnischen Wolhynien (heute Stadt Roschyschtsche in der Ukraine). Infolge des Hitler-Stalin-Pakts besetzte die Sowjetunion 1939 das Gebiet. Nach der erzwungenen Umsiedlung 1940 in den Warthegau amtierte Henke bis 1945 als Pfarrer und Superintendent in Leslau (Włocławek im heutigen Polen).
Bild: Reinhold Rudolf Henke als Student in Dorpat, 1913 @ Estnisches Nationalarchiv, Tartu.
Nach der Flucht von 1945 bis 1947 war er Oberpfarrer in Allstedt (Thüringen) und schließlich bis zu seinem Ruhestand 1960 als Pfarrer und Superintendent (ab 1951) in Droyßig, Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt tätig.
Dank der im BKDR aufbewahrten Unterlagen, die aus verschiedenen Archiven stammen, konnten wir neue Erkenntnisse über den Bildungsweg sowie die seelsorglichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten des Pfarrers gewinnen. Während seines Studiums in Dorpat gehörte Reinhold Henke der Studentenverbindung „Teutonia“ an – aus der Zeit seiner Mitgliedschaft stammt der erste Lebenslauf, verfasst im Oktober oder November 1914:
Lebenslauf des Dorpater Studenten und „Teutonen“ R. Henke, 1914 @ Estnisches Nationalarchiv, Tartu.
Diesem Lebenslauf können wir entnehmen, dass Henke vier Jahre lang die Zwei-Klassen-Kolonistenschule in Heimtal besuchte, bevor er 1907 in die private Biedensteinsche deutsche Schule in Libau (damals Gouvernement Kurland, heute Stadt Liepāja in Lettland) aufgenommen wurde. Anschließend machte er ebenfalls in Libau das Abitur am staatlichen Nikolai-Gymnasium; für seine ausgezeichneten Leistungen erhielt er beim Abschluss eine Goldmedaille. Im August 1913 wurde Reinhold Henke an der Universität Dorpat immatrikuliert. Er studierte zunächst Mathematik, wechselte jedoch nach den bestandenen Griechisch-Prüfungen im Oktober desselben Jahres an die Theologische Fakultät.
Das zweite Dokument, das wir präsentieren möchten, ist ebenfalls ein Lebenslauf, den Pfarrer Reinhold Henke im August 1945 verfasste. Daraus spricht ein wahrer Seelsorger sowie ein Zeitzeuge großer historischer Umwälzungen des sogenannten „kurzen 20. Jahrhunderts“: dem Ersten Weltkrieg, der neuen Nachkriegsordnung und ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der Verfasser bemüht sich, die folgenschweren Ereignisse, die ihn persönlich sehr hart trafen, in einem eher sachlichen Ton darzulegen (s. das PDF unten).
Unter anderem erfahren wir, dass R. Henke ab Februar 1945 als Hilfspfarrer in Auerbach (Vogtland) tätig war, bevor er am 18. August desselben Jahres die Pfarrstelle in Allstedt (Thüringen) übernahm. Hier wirkte er allerdings nicht lange – nämlich bis zum 30. September 1947. Die Gründe seines Wechsels zur Kirchengemeinde Droyßig schilderte er ausführlich in einer Eingabe, die wir jedoch an anderer Stelle präsentieren werden.
Lebenslauf des „Flüchtlingspfarrers“ Reinhold Henke, 1945 @ Landeskirchenarchiv Eisenach: