Wochenblatt
Das erste nationale Presseorgan nach dem Sturz der Monarchie in Russland 1917
Im Jahr 1917 fanden tiefgreifende Umbrüche im Verlauf der russischen Geschichte statt: Zunächst die bürgerliche Februarrevolution. Einige Monate später der sog. „Oktoberumsturz“ und die bolschewistische Machtergreifung. Diese gesellschaftspolitischen Umwälzungen ergriffen auch deutsche Siedlerkolonisten. Sie begannen, sich zu organisieren und ihre Gleichberechtigung einzufordern.
Die wachsende politische Mobilisierung dieser Zeit lässt sich, ähnlich wie am Beispiel zahlreicher Völker des einstigen Russischen Reiches, am Entstehen zahlreicher nationaler Vereine und Verbände, an der Entfaltung nationaler Presse beobachten. Eines der ersten solcher Presseorgane war das wöchentlich erscheinende „Wochenblatt“ als Sprachrohr des „Zentralkomitees des Südrussischen Gebietsverbandes des Allrussischen Verbandes der Deutschrussen und Mennoniten“ [Южно- Русский Центральный Комитет Всероссийского Союза русских немцев и меннонитов].
Die erste Ausgabe kam am 16. April 1917 heraus. Das Blatt wurde zunächst auf Russisch gedruckt und trug den russischen Titel «Еженедельник». Die wichtigsten Themen waren die Aufhebung der Liquidationsgesetzte, die Nutzung der deutschen Muttersprache im Schulunterricht, im Gottesdienst, beim Buchdruck und in der Presse. Das Stärken des Vereinslebens und die Rolle der politischen Repräsentanz gehörten ebenfalls zu vieldiskutierten Fragen. Nur auf dem Weg der aktiven gesellschaftlichen Betätigung könnte die vollständige Gleichberechtigung der deutschen Minderheit erreicht werden.
Als Beispiel präsentieren wir die Ausgabe Nr. 15 vom 29. Juli 1917, in der Folgendes behandelt wurde: Aufruf zur Unterstützung der demokratischen Veränderungen in Russland (auf Russisch und Deutsch), Erklärungen zu den Landschaftswahlen, Berichte von den Ortsgruppen und schließlich der programmatische Artikel: “Was will unser Verein“. Im Artikel ging es im Wesentlichen um vier Kernanliegen des Verbandes der „russischen Deutschen“ und Mennoniten:
- Politische und bürgerliche Gleichberechtigung;
- nationale Selbstbestimmung, v. a. im sprachlich-kulturellen und Bildungsbereich;
- Religiöse Freiheit;
- Ökonomie: Förderung der wirtschaftlichen Entwicklungen in den deutschen Siedlungen.
Wer mehr über dieses Blatt erfahren möchte, sollte sich auf die Seite des Bundesarchivs begeben, das auf Betreiben des BKDR mehrere Akten zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen digitalisiert hat, u. a. auch folgendes Aktenbündel, das mehrere Nummern dieses Periodikums enthält.