Dokument des Monats Oktober 2019
Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um ein Gedicht, bestehend aus 50 Sechszeilern, das in schlichter Form das bewegende Leben eines schwäbischen Auswanderers im Kaukasus des 19. Jahrhunderts schildert: „Eine kurze Biographie des Johannes Mayer der 2-te und seiner Ehefrau Barbara Mayer, geb. Manz, zum Andenken auf den goldenen Hochzeitstag, den 24.11.1875“.
Dieses Versepos war bei den Kaukasusdeutschen, v. a. in und um Katharinenfeld in Georgien sehr bekannt und beliebt. Das Original hat eine bewegende Geschichte; es befindet sich im Besitz der Nachkommen der Familie Krohmer, ursprünglich aus Katharinenfeld stammend. Josef Krohmer (1894-1960) bekam es, den Familienüberlieferungen zur Folge, zu seiner Konfirmation. 1918 heiratete er Therese Kiess (Kieß) und zog 1927 in die Tochtersiedlung Grüntal, in der er Land kaufte und einen Weinberg anlegte. 1941 wurde die Familie Krohmer zusammen mit anderen Deutschen aus Georgien ins Gebiet Pawlodar in Kasachstan deportiert. Mitgenommen werden durften nur ganz wenige Sachen. Neben einigen persönlichen Fotos und Urkunden wurde dieses Gedicht als kostbare Reliquie aus der alten kaukasischen Heimat im Familienbesitz treu aufbewahrt. Es wanderte in all den Jahren der Verbannung, der Zwangsarbeit, der zahlreichen Umzüge und zuletzt der Aussiedlung nach Deutschland mit und befindet sich z. Zt. im Besitz der Tochter Eugenia Krieger (Pforzheim).
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers der „Blätter für württembergische Kirchengeschichte“, Norbert Haag, verweisen wir auf den Aufsatz von Fritz Kalmbach, der das Entstehen dieses Versepos analysiert und sein Wortlaut – das nur ganz geringfügig vom Original abweicht – in moderner Orthographie bereits im Jahre 1995 veröffentlicht hat:
Fritz Kalmbach: „Von Osten scheint die Sonne. Da ist der Zufluchtsort“: Auswanderung aus Württemberg 1817/18 nach Georgien, Kolonistenschicksale und ein bislang unbekanntes Gedicht, in: Blätter für Württembergische Kirchengeschichte – 3.F., Bd. 95, S. 208 – 231.
Nürnberg, 28. Oktober 2019.