Mit der vorliegenden Verserzählung aus dem 19. Jahrhundert (s. unten) haben wir bereits 2019 eine Rubrik eröffnet, für die unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Viktor Krieger hauptverantwortlich ist. Damit möchten wir das wissbegierige Publikum über ein wichtiges Anliegen unseres Hauses in regelmäßigen Abständen informieren, und zwar über unsere virtuelle Sammlung, die aus seltenen Textdokumenten, Bildern, Fotos, Audios und Videos zur russlanddeutschen Geschichte, Kultur und Gegenwart besteht.

Sämtliche Beiträge dieser Rubrik, die einmal monatlich erscheinen, finden Sie unter: Dokument des Monats

[Falls Sie die angezeigten Bilder in einer höheren Auflösung für den privaten Gebrauch oder etwaige Präsentationen etc. nutzen möchten, wenden Sie sich bitte an uns unter kontakt@bkdr.de. Wir werden Ihnen weiterhelfen.]

Außerdem wenn Sie uns bei diesem Projekt unterstützen möchten, würden wir uns sehr freuen. Jeder kann zum Gelingen dieses Vorhabens beitragen, sei es durch Bereitstellung einer Digitalkopie, durch Leihgabe oder Schenkung von historisch interessanten Fotos, Briefen, Tagebüchern, persönlichen Dokumenten, Druckerzeugnissen oder Gegenständen, die einen Bezug zu Russlanddeutschen und deren Lebenswelt haben.

Eine kurze Biografie des Johannes Mayer …

Dokument des Monats Nr. 1

Beim vorliegenden Dokument handelt es sich um ein Gedicht, bestehend aus 50 Sechszeilern, das in schlichter Form das bewegende Leben eines schwäbischen Auswanderers im Kaukasus des 19. Jahrhunderts schildert: „Eine kurze Biographie des Johannes Mayer der 2-te und seiner Ehefrau Barbara Mayer, geb. Manz, zum Andenken auf den goldenen Hochzeitstag, den 24.11.1875“.

Dieses Versepos war bei den Kaukasusdeutschen, v.a. in und um Katharinenfeld in Georgien sehr bekannt und beliebt. Das Original hat eine bewegende Geschichte; es befindet sich im Besitz der Nachkommen der Familie Krohmer, ursprünglich aus Katharinenfeld stammend. Josef Krohmer (1894-1960) bekam es, den Familienüberlieferungen zur Folge, zu seiner Konfirmation. 1918 heiratete er Therese Kiess (Kieß) und zog 1927 in die Tochtersiedlung Grüntal, in der er Land kaufte und einen Weinberg anlegte. 1941 wurde die Familie Krohmer zusammen mit anderen Deutschen aus Georgien ins Gebiet Pawlodar in Kasachstan deportiert. Mitgenommen werden durften nur ganz wenige Sachen. Neben einigen persönlichen Fotos und Urkunden wurde dieses Gedicht als kostbare Reliquie aus der alten kaukasischen Heimat im Familienbesitz treu aufbewahrt. Es wanderte in all den Jahren der Verbannung, der Zwangsarbeit, der zahlreichen Umzüge und zuletzt der Aussiedlung nach Deutschland mit und befindet sich z. Zt. im Besitz der Tochter Eugenia Krieger (Pforzheim).

Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers der „Blätter für württembergische Kirchengeschichte“, Norbert Haag, verweisen wir auf den Aufsatz von Fritz Kalmbach, der das Entstehen dieses Versepos analysiert und sein Wortlaut – das nur ganz geringfügig vom Original abweicht – in moderner Orthographie bereits im Jahre 1995 veröffentlicht hat:

Fritz Kalmbach: „Von Osten scheint die Sonne. Da ist der Zufluchtsort“: Auswanderung aus Württemberg 1817/18 nach Georgien, Kolonistenschicksale und ein bislang unbekanntes Gedicht, in: Blätter für Württembergische Kirchengeschichte – 3.F., Bd. 95, S. 208 – 231.

Nürnberg, 28. Oktober 2019.