Eine religiöse Untergrundzeitschrift
Beim Dokument des Monats Februar handelt es sich um die originale Fassung der Untergrundzeitschrift „Bulletin der Verwandten von Inhaftierten der ev. Christen-Baptisten in der UdSSR“ Nr. 38 aus dem Jahr 1976. Diese Hefte wurden vom Zentralrat der Kirchen der Initiativ-Baptisten illegal in unregelmäßiger Folge zusammengestellt, hektographisch vervielfältigt und nicht nur unter den Glaubensbrüdern selbst, sondern auch unter Dissidenten verteilt und in den Westen geschmuggelt.
Titelseite der „Bulletin der Verwandten von Inhaftierten der ev. Christen-Baptisten in der UdSSR“ Nr. 38 aus dem Jahr 1976.
Die Organisation entstand 1961 im Zuge der Abspaltung von dem offiziell existierenden, legalen Bund der Baptisten in der UdSSR. Die sog. Initiativ-Baptisten lehnten die sowjetische Kirchenpolitik sowie den staatlichen Atheismus ab, forderten eine Nichteinmischung in die kirchlichen Angelegenheiten, praktizierten trotz gesetzlicher Verbote die Unterweisung der Kinder in der Glaubenslehre und zeichneten sich durch aktive Missionierung aus.
Mit dem unabhängigen Verlag „Christianin“ (Christenmensch), mehreren Untergrunddruckereien und der o. g. Samisdat-Zeitschrift entfalteten sie eine rege politische und verlegerische Tätigkeit. Sie scheuten keine Konfrontationen mit den staatlichen Institutionen, dokumentierten Verhaftungs- und Verfolgungsfälle, unterhielten enge Kontakte zu sowjetischen Menschen- und Bürgerrechtskreisen und machten die internationale Öffentlichkeit auf ihre bedrängte Lage aufmerksam.
Die deutschen Mitglieder, v.a. mennonitischer Herkunft, machten einen überproportional hohen Anteil unter den Initiativ-Baptisten und ihren Predigern aus. Belegt wird dies durch die Statistik der strafrechtlichen Verfolgung. In der vorliegenden Ausgabe wird über den offenen Gerichtsprozess gegen den Gemeindeprediger Iwan (Johann) Steffen aus der mittelgroßen Stadt Jessik (bis 1993 Issyk, Gebiet Alma-Ata/Kasachstan) berichtet, der 1976 zu fünf Jahren Straflager strengeren Regimes verurteilt wurde. In seinem Leben musste Steffen fünfmal ins Gefängnis und anschließend ins Lager gehen, viermal davon wegen seines christlichen Glaubens. Nachfolgend die ersten Seiten der geheimen Niederschrift der gerichtlichen Verhandlungen aus dem „Bulletin der Verwandten von Inhaftierten der ev. Christen-Baptisten in der UdSSR“ (auf Russisch):
Alle Ausgaben dieses Samisdat-Periodikums wurden inzwischen digitalisiert, in die moderne Druckschrift umgewandelt und sind HIER einsehbar.
Sowohl ihre Erfahrungen als Christen und Gemeindemitglieder in einer dem Glauben feindlich gesinnten Gesellschaft als auch die Auseinandersetzungen mit dem atheistischen Staat hat das Ehepaar Steffen in einem Zeugenbericht geschildert:
Johann und Elfriede Steffen: Im Schmelztiegel. „Bis hierher hat uns der Herr geholfen“. Huckeswagen: Christliche Schriftenverbreitung 1996.