Einst streitbarer und nun geläuterter atheistischer Propagandist

David Penner (1904–1993) war Ende der 1920er bis Anfang der 1930er Jahre einer der aktivsten atheistischen Propagandisten in der UdSSR, der v. a. die mennonitische Glaubensgemeinschaft stark unter Beschuss nahm. Seinen Lebenslauf finden Sie HIER.

Allein oder auch gemeinsam mit dem Biologen Heinrich Friesen, der später zum bekannten Wissenschaftler und Professor am Institut für experimentelle Biologie in Moskau aufsteigen sollte, verfasste Penner in den Dreißigern zahlreiche Pamphlete und antireligiöse Propagandaschriften. Beide stammten bezeichnenderweise selbst aus den mennonitischen Siedlungen in der Südukraine.

Diese unzweifelhaften Verdienste um den „Aufbau des Sozialismus“ schützten allerdings nicht vor Verfolgungen und Repressionen: Heinrich Friesen wurde im März 1938 vom NKWD verhaftet und einige Monate später erschossen. Penner erlebte Deportationen und musste Zwangsarbeit in den Kohlegruben in Kusbass (Westsibirien) in der Stadt Prokopjewsk leisten. In den Nachkriegsjahren unterrichtete er an verschiedenen Schulen und Hochschulen Physik; ab 1965 wirkte David Penner mehr als 30 Jahre lang als Leiter und Professor des Lehrstuhls für theoretische Physik an der Pädagogischen Hochschule in Wladimir, Zentralrussland.

Durch diese Lebenserfahrungen sichtlich geläutert und eines Besseren belehrt, äußerte sich der Wissenschaftler von nun an sehr kritisch über die aggressive und plumpe antireligiöse Propaganda der Nachkriegsjahre. Hierzu sein bemerkenswerter Brief vom 2. April 1967 an den Chefredakteur der Tageszeitung „Freundschaft“, Alexej Schmelew. Die Zeitung wurde seit Januar 1966 in der Stadt Zelinograd/Kasachstan (danach Astana, heute Nur-Sultan genannt), in deutscher Sprache herausgegeben.

In dem Schreiben übt David Penner dezidierte Kritik an einigen antireligiösen Schriften, die in Kasachstan erschienen sind[1] und weist richtigerweise darauf hin, dass die nach dem Krieg eingetretene Wiederbelebung der religiösen Organisationen (und das mit einer Intensität, wie sie die Geschichte der Deutschen in Russland nicht kennt) als eine direkte Folge des entsetzlichen rechtlichen Zustandes der Sowjetdeutschen in dieser Zeit zu werten [ist]. Die Flucht in die Religion als eine Handlung der Verzweiflung, der Hilfslosigkeit gegenüber zahllosen Schikanen […] Leider durften diese Tatsachen nicht öffentlich diskutiert werden, sie MÜSSTEN JEDOCH IMMER UND ÜBERALL BERÜCKSICHTIGT WERDEN! [Hervorhebung im Originaltext].

Auf jeden Fall wollte er nicht erneut Propaganda im alten Vorkriegsstil betreiben. Mehr noch, wie aus seiner öffentlichen Replik auf das Buch eines atheistischen Propagandisten über Mennoniten hervorging, lehnte er aufs Schärfste viele diffamierende Aussagen ab, die an dieser Stelle vorgekommen sind.[1] Während der Perestroika erschienen 1989 im Almanach „Heimatliche Weiten“ (Moskau) seine Erinnerungen über die Kindheit und Jugend sowie über den Einsatz im Zwangsarbeitslager während des deutsch-sowjetischen Krieges.

Nachstehend einige Publikationen von David Penner aus der Vor- und Nachkriegszeit. Bis 1941 publizierte er häufig unter seinem Pseudonym „A. Reinmarus“.

Bücher

A. Reinmarus: Anti Menno. Beiträge zur Geschichte der Mennoniten in Russland. Moskau 1930. Abrufbar unter:

https://chort.square7.ch/Buch/AMeno.pdf

A. Reinmarus und G. Frizen (H. Friesen): Pod gnetom religii. Nemcy-kolonisty SSSR i ich religioznye organizacii [Unter dem religiösen Joch. Deutsche Kolonisten in der UdSSR und ihre religiösen Organisationen]. Moskva-Leningrad 1931 (auf Russisch). Abrufbar unter:

https://rusneb.ru/catalog/000199_000009_006764597/

Zeitungsartikel

„Werktätige Deutsche in der UdSSR und ihre ungebetenen Kümmerer“, erschienen in der Zentralzeitung Izvestija am 21. Juli 1933 (in russischer Sprache):

„Grau in Grau“ [Besprechung des Buches: Krest’janinov V. Mennonity. Moskva 1967], in: Neues Leben (Moskau), Nr. 5 vom 31. Januar 1968:


[1] So an der Schrift: Graždan V.: Kto takie pjatidesjatniki [Wer sind die Pfingstler]. Alma-Ata 1965.

[2] Es handelte sich um das Werk von: Krest’janinov V. Mennonity. Moskva 1967. Seine Erwiderung erschien in der Zeitung „Neues Leben“ im Januar 1968.