Viktor Krieger auf Recherchereise in Berlin

Unser wissenschaftlicher Mitarbeiter, Dr. Viktor Krieger, war vom 17. bis zum 21. Juni auf einer Recherchereise im Evangelischen Zentralarchiv (EZA) und in der Bibliothek des Bundesarchivs in Berlin. Das Evangelische Zentralarchiv beherbergt umfangreiches Material zur Kirchenpolitik des Sowjetstaates in den 1920er- und 1930er-Jahren. Interessant und aufschlussreich fand Krieger die Reaktionen, die diese Politik in kirchlichen Kreisen verschiedener europäischer Staaten ausgelöst hatte. Die Kirche hatte damals im Rahmen der Aktion „Brüder in Not“ vielfältige Unterstützung für die Wolga- und Schwarzmeerdeutschen, insbesondere während der Hungerjahre 1920‒1924 sowie Anfang der 1930er-Jahre geleistet.

Ev. Zentralarchiv, Berlin.

Die wachsende Unterdrückung und Verfolgung der deutschen Gläubigen sowie der evangelischen und katholischen Geistlichen lösten vor allem in Deutschland große Empörung aus und führten dazu, dass zahlreiche Hilfsaktionen ins Leben gerufen wurden. Davon zeugen dutzende Aktenordner, die verschiedene Berichte, Rechenschaften, Stellungnahmen, Statistiken, Briefwechsel von zahlreichen Personen mit In- und Ausland und dergleichen enthalten.

Insbesondere die Unterlagen des Gustav-Adolf-Werkes der Ev. Kirche Deutschlands zeigen das Ausmaß an Unterstützung für bedrängte Geistliche und einzelne Gläubige, sei es in Form von Hilfspaketen oder Überweisungen via Torgsin*, die eine Zeitlang möglich waren. Vor allem die Geistlichen fungierten damals als Vertrauenspersonen, empfingen und leiteten die Hilfe an die bedürftigen Gemeindemitglieder weiter.

Die in der UdSSR ausharrenden Pfarrer äußerten immer wieder den Wunsch, ihren Kindern die christliche Erziehung und höhere Bildung in Deutschland zu ermöglichen, da beides in der Sowjetunion nicht möglich war. Der Schriftwechsel allein zu diesem Thema füllt mehrere Aktenordner.

V. Krieger in Berlin (c) BKDR.

Viele interessante Details über die Tätigkeit der sogenannten „Russen-Pastoren“, also jener Geistlichen, die nach der bolschewistischen Machtergreifung 1917 aus der Sowjetunion emigrierten und sich in Deutschland bei der Flüchtlingsfürsorge engagierten oder als Seelsorger arbeiteten, finden sich ebenfalls in den Archiven.

Am letzten Tag dieser Dienstreise, dem 21. Juni, recherchierte Dr. Viktor Krieger in der Bibliothek des Bundesarchivs und wertete zeitgenössische Periodika aus: einige Jahrgänge der Zeitung „Nachrichten“ (aus Pokrowsk/Engels) und „Das neue Dorf“ (aus Charkow) sowie der Zeitschriften „Neuland“ und „Der Sturmschritt“, die ebenfalls in Charkow in den 1930er-Jahren erschienen waren.

An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Frau Jessica Käpernick vom Evangelischen Zentralarchiv sowie bei Bibliothekarin Lisabet Mielke vom Bundesarchiv für ihre Unterstützung und Bereitstellung des erforderlichen Materials und Zeitschriften bedanken.



*Torgsin (russ: Торгсин), wörtlich: Handel mit Ausland, war eine staatliche Handelsagentur der Sowjetunion, die ein Netz von Devisenläden betrieb. Gegründet wurde diese Agentur im Juli 1930, aufgelöst im Januar 1936. Torgsin erlangte seine traurige Berühmtheit während der Hungersnot 1932‒1933, als es von den sowjetischen Behörden benutzt wurde, um den Staatshaushalt aufzubessern. Die Sowjetbürger durften in dieser Zeit Lebensmittel gegen Gold oder Devisen frei in staatlichen Läden kaufen. Die Nettoerlöse von Torgsin beliefen sich in den fünf Jahren seines Bestehens auf insgesamt etwa 270 bis 283 Mio. Goldrubel.