Ein Lagerbrief aus dem Jahr 1944

In der Fortsetzung unserer Beschäftigung mit dem düsteren Kapitel der russlanddeutschen Geschichte – dem 80. Jahrestag des Beginns der Verfolgung und Diskriminierung der „Sowjetbürger deutscher Nationalität“ – publizieren wir mit dem Dokument des Monats „Mai“ einen Brief aus einem Zwangsarbeitslager, den Oskar Schulz am 5. Februar 1944 geschrieben hat. 

Frontbild eines Auszuges des Lagerbriefes von Oskar Schulz (1944).

Oskar Schulz ist am 16. Januar 1927 im deutschen Dorf Heimtal, Wolhynien, geboren. 1935 wurde die Familie dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Sie wurden zunächst auf die Krim ins deutsche Dorf Zürichtal und danach nach Kasachstan gebracht. 

Im Januar 1943 wurde der gerade einmal 16-jährige Oskar zur Zwangsarbeit ins Erdölkombinat „Kasneftkombinat“ ausgehoben, das sich am Kaspischen Meer befand. In einer „Kinderbrigade“ der erst 15- bis 16-jährigen Deutschen musste er schwere Erdarbeiten in den Förderfeldern „Dossor“ und „Makat“ verrichten. Er rettete sich durch eine gelungene Flucht sowie einem zeitweiligen Aufenthalt unter dem Namen eines Russen mit tatarischen Wurzeln. Sein Name während dieser Zeit: Geltzow, Askat.

Wir geben diesen an seine Schwester Frieda gerichteten Brief vollständig in Originalbildern (in russischer Transkription sowie in deutscher Übersetzung) wieder. Frieda selbst wurde mit Ihrem Mann 1941 in die Region Krasnojarsk (Ostsibirien) deportiert. Wie es scheint, konnte das Schreiben durch Umgehung der Militärzensur mit der zivilen Post versendet werden. Im Schreiben an seine Schwester berichtet Oskar über seine Flucht und die Umstände des Lebens. Auf der dritten Seite des Briefes zitiert er nach Gedächtnis mit Entstellungen das alte Volkslied „Verbannt nach Sibirien“. Die zu vergleichende Melodie und den Text finden Sie unter:

http://www.sammle.org/sites/default/files/docs/verbannt_nach_sibirien.pdf

Den Scan des originalen Briefes in chronologischer Reihenfolge können Sie hier aufrufen:

Die deutschsprachige Übersetzung sowie die russischsprachige Transkription des Briefes finden Sie hier:

Nachfolgend noch einige Informationen zu Oskar Schulz, den unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Krieger 2015 persönlich treffen durfte (aus diesem Treffen gehen auch die Scans der Briefe hervor):

  • 1947 Abitur und bis 1952 Studium an der Veterinärmedizinischen Hochschule in Alma-Ata. 
  • 1952 bis 1987: Arbeit in der Landwirtschaft Kasachstans. 
  • 1994: eingereist nach Deutschland. 
  • 2001 absolvierte er den Fernlehrgang Belletristik der Schule des Schreibens bei der Axel Andersson Akademie, Hamburg. 
  • 2001 wurde das Buch Und dennoch nicht abgenabelt veröffentlicht.
  • 2003: Wage dich und halte die Waage mit Übersetzung ins Russische Skasawschij ras da skaschet dwa  veröffentlicht-
  • 2005: Die Brechstangenpolitik im Zickzackkurs wird veröffentlicht.  

    Es ist eine Trilogie über das Leben der russlanddeutschen Minderheit geschaffen worden.
  • 2008: Geblendet und auf den Weg ins Nichts geschoben.  
    Deutsche: Macht einen Halt, schaut euch um, sucht andere und neue Wege in die Zukunft.  
  • Der Autor ist Rentner, verheiratet, hat vier Kinder, acht Enkelkinder und vier Urenkel.