Erste russlanddeutsche Akademiker im Zarenreich (Folgen 27 und 28)
Die Steinwands – ein akademischer Familienverband aus Bessarabien
Nachdem wir in den letzten Folgen dieser Reihe die Familie Seib vorgestellt hatten, möchten wir dieses Mal auf die Mitglieder der Familie Steinwand aus der ehemaligen deutschen Kolonie bzw. Siedlung Klöstitz in Bessarabien eingehen. Als Erster aus dieser Familie wurde Daniel Steinwand (1857–1919) Akademiker. Seine Eltern waren früh gestorben und er war deshalb zunächst in die Obhut von entfernten Verwandten aus der benachbarten Siedlung Sarata gekommen. Obwohl Daniel Steinwand „wenig Anregung für geistige Tätigkeit fand“ (wie ein Zeitgenosse von ihm bemerkt hatte), ließ er sich nicht entmutigen und kümmerte sich mit einem eisernen Willen um seine eigene Bildung, der ihn schließlich nach Dorpat, an die dortige Universität, führte. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums amtierte er ab 1886 als Pastor im Kirchspiel Worms-Johannistal und ab 1908 in Odessa.
Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, engagierte sich stark im Gemeinde- und Gesellschaftsleben. Die Liste seiner ehrenamtlichen Ämter und kulturellen Aktivitäten ist recht lang. Hier nur einige davon: Er regte jährliche Lehrerkonferenzen seines Kirchspiels an und gründete 1887 in Worms eine Schule für taubstumme Kinder samt Internat, Lehrerwohnungen und Werkstätten. Im „Südrussischen Deutschen Verein“ kümmerte er sich von 1906 bis 1914 um Schul- und Kirchenangelegenheiten. Er war einer von Initiatoren bei der Gründung des „Evangelischen Lazaretts für verwundete russische Krieger“, das 1914 in Odessa eröffnet wurde. Darüber hinaus entfaltete Pastor Steinwand eine rege publizistische Tätigkeit: Er gab Sammlungen seiner Predigten und Reden heraus, veröffentlichte zahlreiche Artikel in der „Odessaer Zeitung“ sowie anderen Presseorganen und redigierte etliche Jahre lang den „Christlichen Volksboten für die ev.-luth. Gemeinden in Südrussland“.
Jedem seiner vier Söhne ermöglichte er eine akademische Ausbildung bzw. Laufbahn. Zwei von ihnen gingen ebenfalls nach Dorpat und wurden genauso wie ihr Vater Pastoren: Friedrich (1888–1937) und Ludwig (1889 – nach 1941). Sein Neffe Eduard Steinwand (1890–1960) schlug eine ähnliche Laufbahn ein und wurde später sogar Professor an der Universität Erlangen.
Der dritte Sohn, Herbord (Heribert oder auch Herbert, 1896–1966), studierte in Odessa und verdiente sich einen guten Ruf als Bibliothekar und Archäologe. Aufgrund seiner Straf- und Spruchkammerakte lassen sich einige bislang unbekannte Einzelheiten aus seinem Leben beleuchten. Genauso wie seine Pastorenbrüder erlitt Herbort Steinwand Repressalien in der Sowjetunion: Im Zuge der Verfolgung von deutschen Intellektuellen wurde er Ende Dezember 1933 verhaftet und zu fünf Jahren Freiheitsentzug in einem Straflager verurteilt. 1938 wurde er erneut verhaftet, jedoch aus Mangel an Beweisen freigelassen. 1939 durfte Herbord Steinwand nach Odessa zurückkehren und wieder im örtlichen Museum als Archäologe arbeiten. Ab Frühjahr 1942 lebte er in Berlin und war eine Zeitlang an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in seinem Fach beschäftigt, doch wurde er bald aufgrund seiner Kenntnisse der russischen und ukrainischen Sprache zur Arbeit bei der Auslandsbriefprüfstelle (Zensurbehörde) dienstverpflichtet. Nach dem Kriegsende verbrachte Steinwand fast zwei Jahre in Internierungslagern. Am 25. Februar 1948 stellte die Spruchkammer Schwäbisch Hall das Verfahren gegen ihn ein, „da der Betroffene überhaupt nicht belastet ist“. Zwei Jahre später zog er von Schwäbisch Hall nach Düsseldorf.
Der jüngste Sohn von Daniel Steinwand, Arnulf Manfred (1899–1975), studierte in Heidelberg, Tübingen und München Staatswissenschaften, Wirtschaft und Recht und promovierte zum Dr. rer. pol. Zwei Töchter von Daniel Steinwand heirateten Pastoren ebenfalls aus dem deutschen Siedlermilieu: Frieda den Pfarrer Woldemar Seib (1916) und Irmgard Luise den Pfarrer Albert Koch (1918).
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