„In Würde ertragen – Russlanddeutsche Zwangsarbeiter des TagilLag“ – Gedenkbuch erschienen

(c) Coverbild: J. Sachwatajew

Im historischen Gedächtnis der russlanddeutschen Bundesbürger nimmt die massenhafte Aushebung zur Zwangsarbeit in den Jahren 1941‒1946 in der UdSSR einen besonderen Stellenwert ein. Die „Sowjetbürger deutscher Nationalität“, so der Amtsjargon, gehörten zu der einzigen nationalen Minderheit, bei der nicht nur Männer, sondern auch Frauen, Jugendliche und Mädchen zum Zwangsarbeitseinsatz herangezogen wurden. Etwa 350.000 Personen mussten fern ihrer Wohnorte, Eltern oder Kinder im Ural und hohen Norden, in Sibirien und Kasachstan schwere körperliche Arbeit unter elenden Bedingungen leisten. Diese im tiefsten Hinterland abgelaufene repressive Aktion, von den Behörden verschleiert und als „Arbeitsmobilisierung“ deklariert, von den Betroffenen selbst als „Trudarmee“ (Arbeitsarmee) bezeichnet, kostete nicht weniger als 70.000 Menschenleben. Jede deutsche Familie war faktisch davon betroffen.

Jahrzehntelang wurde die kritische Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels der sowjetischen Geschichte von den kommunistischen Machthabern mittels Zensur behindert. Nur im engen Familienkreis hielt man das Gedenken an die Opfer der „Trudarmija“ wach, hörte schlichten Schilderungen der Überlebenden bestürzt zu, bewahrte wenige überlieferte Zeugnisse wie vergilbte Briefe, amtliche Dokumente oder zerschlissene Fotos der verstorbenen Angehörigen treu auf. Erst seit Ende der 1980er-Jahre, während der Perestroika und schlussendlich nach der Überwindung des kommunistischen Systems, begann zögerlich eine öffentliche Auseinandersetzung mit diesem unerforschten Kapitel des Stalinismus. Die Aufarbeitung dieses Verbrechens an der deutschen Minderheit wird bislang leider sowohl in Russland als auch in Deutschland hauptsächlich von den Betroffenen selbst betrieben.


Umso verdienstvoller erscheinen vor diesem Hintergrund die Aktivitäten einer Gruppe russischer Historiker und Archivare um Prof. Dr. Wiktor Kirillow aus der Stadt Nischni Tagil, Gebiet Swerdlowsk, die bereits in den 1990er-Jahren das Thema „Trudarmija im Ural“ zu einem ihrer Forschungsschwerpunkte gemacht haben und es bis heute beharrlich verfolgen. Während des „Großen Vaterländischen Krieges“ (Zweiter Weltkrieg) beherbergte diese Region die größte Zahl solcher Zwangsarbeiter, die überwiegend in die bereits existierenden Straflager überführt und dort bei verschiedenen Vorhaben im Rüstungsbereich, sei es bei der Holzgewinnung oder beim Bau strategisch wichtiger Industriebetriebe, eingesetzt worden waren. Die partielle Öffnung zentraler und regionaler Archive nach 1991 spielte bei der Aufarbeitung eine wichtige Rolle. Die dort zum Vorschein gekommenen Dokumente erlaubten dem Forscherteam, im Rahmen des langfristig angelegten Projekts „Gedenkbuch. Repressive Politik gegen Russlanddeutsche im 20. Jahrhundert“, einzelne Einsatzorte detailliert zu beschreiben. Auch geschichtlich relevante Erinnerungen von Zeitzeugen finden dabei Berücksichtigung. Bislang waren mehrbändige Ausgaben zu den Lagern Tagillag-Tagilstroj, Bogoslowlag-BASStroj, Sewurallag und Wosturallag im Gebiet Swerdlowsk, Usollag (nur Todeslisten) im Gebiet Molotow (Perm) und Tscheljablag-Tscheljabmetallurgstroj im Gebiet Tscheljabinsk auf Russisch erschienen. Die vorliegende Übersetzung des Buches über das Lager Tagillag-Tagilstroj ist der erste Band der neuen Publikationsreihe „Gedenkbücher der russlanddeutschen Zwangsarbeiter“, die vom BKDR herausgegeben wird.

Das Ziel ist es, sowohl der wissenschaftlichen Community als auch dem breiten, historisch interessierten Publikum und nicht zuletzt den Nachkommen der einstigen „Trudarmisten“ (Zwangsarbeiter) fundierte Darstellungen zu diesem bislang wenig beachteten Kapitel der russlanddeutschen Geschichte in deutscher Sprache zu bieten. Die Herausgeber danken vor allem dem russischen Historikerteam für das zur Verfügung gestellte umfangreiche Material und selbstverständlich dem Freistaat Bayern für die finanzielle Unterstützung, ohne die es dieses Buch in dieser Form nicht gegeben hätte.

Kirilow, Wiktor (Hg.), „In Würde ertragen“, Preis: 24,- EUR, E-Mail: kontakt@bkdr.de Tel.: 0911-89219599

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