Welttag der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung

Anlässlich des Welttages der kulturellen Vielfalt für Dialog und Entwicklung am 21. Mai 2022 möchten wir vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) vor allem den Dialog der Erinnerungskulturen thematisieren.

Mindestens 2,5 Mio. Bundesbürger mit einem russlanddeutschen Hintergrund leben in Deutschland. Dies entspricht etwa 75% dieser Bevölkerungsgruppe insgesamt. Der restliche Anteil ist vorwiegend in Russland und Kasachstan verblieben. Ihre historischen Erlebnisse sind daher auch ein Teil der deutschen Geschichte geworden.

Denkmal „Die letzte Kraft“ von Jakob Wedel in Berlin. Es erinnert an die deportierten, ermordeten und umgekommenen Russlanddeutschen.

Im kollektiven Gedächtnis jeder sozialen, nationalen oder religiösen Gruppe werden vor allem solche geschichtlichen Erfahrungen verankert, welche die überwiegende Mehrheit ihrer Mitglieder erlebt hat und die Existenz sowie das Bewusstsein der nachfolgenden Generationen entscheidend beeinflusst haben. Das historische Bewusstsein der russlanddeutschen Bundesbürger ist maßgeblich von Ausgrenzungs-, Leidens- und Opfererfahrungen geprägt. Praktisch jeder Familienverband blickt auf eine lange Liste verhungerter, enteigneter, deportierter, in Sondersiedlungen eingesperrter, strafrechtlich verurteilter oder ermordeter Vorfahren zurück. Selbst der russische Gesetzgeber hat die deutsche Minderheit unmissverständlich als Opfer des Stalinismus anerkannt (Gesetz vom 26. April 1991 „Über die Rehabilitierung der repressierten Völker“).

Ihre Erinnerungskultur unterscheidet sich deshalb von den in Deutschland, aber auch in Russland bislang herrschenden Bildern der Vergangenheit: Hier stehen die Verbrechen des Kommunismus und explizit des Stalinismus im Zentrum der Betrachtung. Es wird an unzählige Opfer der staatlichen Willkür gedacht. Im wiedervereinigten Deutschland verfügen sie über die längste Diktaturerfahrung, die für die Festigung der demokratischen Kultur der Bundesrepublik von großer Bedeutung ist. Diese Besonderheit der historischen Erfahrungen der Russlanddeutschen trägt zur Pluralisierung der deutschen Erinnerungslandschaft bei, die im Zuge der Globalisierung und sich verstärkenden Migration immer vielfältiger wird.

Gleichzeitig müssen die Mehrheitsgesellschaft, migrantische Communities sowie Bürger mit einem russlanddeutschen Hintergrund lernen, die Erinnerungs- und Gedächtniskultur des jeweils anderen zu verstehen, zu achten und zu respektieren. Das Bewusstsein für erinnerungskulturelle Diversität kann nur im ständigen Dialog und Erfahrungsaustausch entwickelt werden. Das BKDR leistet hierzu einen gesellschaftsrelevanten Beitrag.