Materialien der Gründungskonferenz der „Wiedergeburt“ (1989)

Zur Vorgeschichte und Gründung der Gesellschaft „Wiedergeburt“, welche die Rechte und Interessen der deutschen Minderheit in der UdSSR wahren sollte, haben wir HIER bereits ausführlich berichtet. Für ein besseres Verständnis der Absicht und damit verbunden den Zielen der zum damaligen Zeitpunkt neuen Organisation, stellen wir unseren Lesern eine Broschüre mit Materialien dieser Zusammenkunft vor. Sie erschien zu jener Zeit in russischer Sprache – ähnlich wie ein Schriftstück aus den Zeiten der Samisdat-Literatur – und trug die etwas sperrige Überschrift: „Materialien der I. Allunions–Gründungskonferenz der Sowjetdeutschen (Moskau, 28.-31. März 1989)“.

Die Teilnehmer der Konferenz haben neben dem Programm, Statut und der Resolution ein bemerkenswertes Dokument verabschiedet: Den Appell an die Bevölkerung, die auf dem Territorium der einstigen Autonomen Republik der Wolgadeutschen lebte. Dort stand unter anderem:

Wir reichen allen Menschen, die heute auf dem Territorium der ehemaligen ASSR [Autonome Sozialistische Sowjetrepublik] der Wolgadeutschen leben, in aufrichtiger Freundschaft die Hand. […] Wir erklären, dass wir, die wir zusammen mit dem ganzen sowjetischen Volk die Tragödie des Krieges mit ihren unzähligen Opfern und Verlusten erlebt haben, es für unmöglich halten, die Rückgabe unserer Häuser und unseres Vermögens, die 1941 unrechtmäßig während der gesetzwidrigen Aussiedlung beschlagnahmt wurden, zu fordern, denn schuld daran ist nicht das sowjetische Volk, geschweige denn die Menschen, die heute in unseren Häusern leben. […] Wir erklären, dass wir auf die Stadt Engels, die einstige Hauptstadt unserer Republik, keine Ansprüche erheben. Möge sie so bleiben, wie sie heute ist – eine moderne russische Stadt. Wir sind der Ansicht, dass die meisten […] größeren Ortschaften in der künftigen Republik nach Möglichkeit Autonomie erhalten sollen, damit die heutige Lebensweise in ihnen nicht gestört wird und die uneingeschränkte Möglichkeit besteht, […] eine freie Entwicklung nationaler Kulturen in ihnen auch künftig zu gewährleisten. Der Bau neuer Ortschaften für ankommende Sowjetdeutsche scheint uns die für alle günstigste Lösung zu sein“.

Appell in deutscher Übersetzung aus der Wochenschrift „Neues Leben“ vom 3. Mai 1989, Nr. 19.

Leider wurde diese weitreichende Kompromissbereitschaft, das großzügige Entgegenkommen, nicht wertgeschätzt. Die freundlich ausgestreckte Hand nicht angenommen. Der Rechtsstaat in Russland hat dadurch Schaden genommen und die meisten Deutschen reisten aus, um in Deutschland endlich als „Gleiche unter Gleichen“ leben zu dürfen. Ob in dieser Frage ein endgültiger Zustand erreicht ist, wird nur die Zukunft zeigen können.