„Den Wirren des Schicksals trotzen“ von Anton Bosch erschienen

Geschichte der russlanddeutschen Familie Bosch – eine Autobiografie

Zu Beginn des Jahres 2025 erschien im BKDR Verlag die Autobiografie von Dr. Anton Bosch unter dem Titel „Den Wirren des Schicksals trotzen“. Anton Bosch, geb. am 28.10.1934, ist ein wichtiger Zeitzeuge seiner Epoche. Er stammt aus der ehemaligen deutschen Siedlung Kandel, die im 19. Jahrhundert in der Nähe von Odessa von deutschen Umsiedlern gegründet wurde. Er überlebte das stalinistische Terrorregime, die reichsdeutsche Besatzung der Ukraine, die Flucht vor der heranrückenden Roten Armee in den Westen sowie die von den Sowjetmachthabern durchgesetzte massenhafte Rückführung in Lager und Sondersiedlungsgebiete der UdSSR. Auch die damit verbundene sozialpolitische Entrechtung in den Jahren der Kommandantur-Aufsicht (bis 1956) prägte sein Leben.

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Wochenblatt

Das erste nationale Presseorgan nach dem Sturz der Monarchie in Russland 1917

Titelbild des „Wochenblattes“ (Odessa), Nr. 15 vom 29. Juli 1917 @ Bundesarchiv, Berlin

Im Jahr 1917 fanden tiefgreifende Umbrüche im Verlauf der russischen Geschichte statt: Zunächst die bürgerliche Februarrevolution. Einige Monate später der sog. „Oktoberumsturz“ und die bolschewistische Machtergreifung. Diese gesellschaftspolitischen Umwälzungen ergriffen auch deutsche Siedlerkolonisten. Sie begannen, sich zu organisieren und ihre Gleichberechtigung einzufordern.

Die wachsende politische Mobilisierung dieser Zeit lässt sich, ähnlich wie am Beispiel zahlreicher Völker des einstigen Russischen Reiches, am Entstehen zahlreicher nationaler Vereine und Verbände, an der Entfaltung nationaler Presse beobachten. Eines der ersten solcher Presseorgane war das wöchentlich erscheinende „Wochenblatt“ als Sprachrohr des „Zentralkomitees des Südrussischen Gebietsverbandes des Allrussischen Verbandes der Deutschrussen und Mennoniten“ [Южно- Русский Центральный Комитет Всероссийского Союза русских немцев и меннонитов].

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Archivrecherchen in Stuttgart

Am 9. und 10. Dezember 2024 hielt sich unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Viktor Krieger in Stuttgart auf, wo er im Archiv der Evangelischen Landeskirche Württemberg recherchierte.

In erster Linie ging es um Unterlagen der einstigen Pastoren aus den Reihen der deutschen Siedler im Russischen Reich und Absolventen der Universität Dorpat, die nach 1945 ihren seelsorglichen Dienst in der Württembergischen Evangelischen Landeskirche fortsetzten. Unter anderem handelte es sich um solche bekannten Pfarrer wie Heinrich Roemmich (Pfarrer der Landeskirche in den Jahren 1946‒1954), Johann Föll (1950‒1956) und Jakob Rivinius (1946‒1954).

Die kirchlichen Akten enthalten nicht nur neue Einzelheiten über ihr familiäres Umfeld und ihre beruflichen Werdegänge, sondern auch über gemeindliche und gesellschaftliche Aktivitäten dieser in breiten Kreisen der Landsleute hochgeachteten Personen. Aufschlussreich sind hierbei unter anderem Berichte und Stellungnahmen zu ihren eigenen pfarramtlichen Handlungen sowie zur geistigen Positionierung während der NS-Zeit.

Die gewonnenen Einsichten werden in Publikationen verschiedenster Art, so bspw. in Onlinepräsentationen, Zeitschriftenbeiträgen, Quelleneditionen oder ebenfalls in Lexika dem geneigten Publikum im Laufe der Zeit vorgestellt.

„100 Jahre seit der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik“

Die Fachtagung „100 Jahre seit der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik“, die vom 13. bis 15. Dezember 2024 in der Bildungs- und Begegnungsstätte Der Heiligenhof – Alles Leben ist Begegnung in Bad Kissingen stattfand, beleuchtete verschiedene historische, kulturelle, religiöse, wirtschaftliche, kulinarische und gesellschaftliche Aspekte der Wolgadeutschen. Gleichzeitig sollten in den Podiumsdiskussionen unter anderem verschiedene Potentiale herausgearbeitet werden, um die Geschichte und Kultur der Deutschen aus dem postsowjetischen Raum noch stärker in die Wahrnehmung der Gesamtgesellschaft zu rücken.

Darüber hinaus bestand für geladene Partner, darunter das Haus der Heimat Nürnberg, Haus des Deutschen Ostens (HDO), der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Osteuropa (HFDO), die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Landes- und Bundesebene; LmDR e.V.), der Literaturkreis der Deutschen aus Russland, die Landsmannschaft der Wolgadeutschen sowie die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland, die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Info-Börse und damit verbunden die Selbstpräsentation unterschiedlicher Institutionen und Vereine, um der breiten Öffentlichkeit die eigenen Projekte und Wirkungsfelder vorzustellen und näherbringen zu können, jedoch gleichzeitig mit möglichen Kooperationspartnern über zukünftige Vorhaben zu sprechen und einen Informationsaustausch zu betreiben.

Die Fachtagung wurde vom Heiligenhof veranstaltet in produktiver und ergebnisorientierter Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) und stand unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder.

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Neue Erkenntnisse über den wolhyniendeutschen Pfarrer Reinhold R. Henke

(Dokument des Monats)

Pfarrer Reinhold Rudolf (auch: Reinhold R.) Henke (1893–1961) gehörte zu den bekanntesten und markantesten Persönlichkeiten der Wolhyniendeutschen. Von 1923 bis 1924 wirkte er als Hilfsprediger in Pabianice und von 1924 bis 1940 als Pfarrer in Rozyszsze, im polnischen Wolhynien (heute Stadt Roschyschtsche in der Ukraine). Infolge des Hitler-Stalin-Pakts besetzte die Sowjetunion 1939 das Gebiet. Nach der erzwungenen Umsiedlung 1940 in den Warthegau amtierte Henke bis 1945 als Pfarrer und Superintendent in Leslau (Włocławek im heutigen Polen).

Bild: Reinhold Rudolf Henke als Student in Dorpat, 1913 @ Estnisches Nationalarchiv, Tartu.

Nach der Flucht von 1945 bis 1947 war er Oberpfarrer in Allstedt (Thüringen) und schließlich bis zu seinem Ruhestand 1960 als Pfarrer und Superintendent (ab 1951) in Droyßig, Burgenlandkreis in Sachsen-Anhalt tätig.

Dank der im BKDR aufbewahrten Unterlagen, die aus verschiedenen Archiven stammen, konnten wir neue Erkenntnisse über den Bildungsweg sowie die seelsorglichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten des Pfarrers gewinnen. Während seines Studiums in Dorpat gehörte Reinhold Henke der Studentenverbindung „Teutonia“ an – aus der Zeit seiner Mitgliedschaft stammt der erste Lebenslauf, verfasst im Oktober oder November 1914:

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Statistik des Monats „November 2024“

Nachdem wir im vergangenen Monat die „Kontakthäufigkeit im Freundeskreis mit Menschen der eigenen Herkunft 2020 (nach Migrationshintergrund)“ skizziert haben, möchten wir Ihnen in diesem Monat die „Qualität von interethnischen Freundschaften 2020 (nach Migrationshintergrund)“ präsentieren.

Aufgrund der großen Bedeutung von Freundschaften und deren Qualität für Integrationsprozesse wird in diesem Abschnitt noch einmal gesondert auf die Bewertung von interethnischen Freundschaften eingegangen. Dafür werden zwei Aussagen herangezogen, die zum einen das Verständnis, zum anderen die Verlässlichkeit von deutschen Freundinnen und Freunden ohne Migrationshintergrund aus Sicht der Befragten beleuchten.

Dass deutsche Freundinnen und Freunde ohne Migrationshintergrund weniger verlässlich sind als jene mit Zuwanderungsgeschichte, findet nur eine Minderheit aller Befragten mit Migrationserfahrung (Abb. 6.3). (Spät­)Aussiedler stimmen dieser Aussage mit etwa einem Viertel „eher“ oder „voll und ganz“ zu. Bei den anderen Befragten mit Migrationserfahrung trifft dies auf über ein Drittel zu. Zudem lehnen (Spät­)Aussiedler, die nicht aus einem (Nachfolge­)Staat der Sowjetunion stammen, die Aussage entschiedener ab als postsowjetische Zugewanderte. Während Erstere fast zur Hälfte angeben, die Aussage treffe gar nicht zu, ist es bei postsowjetischen Zugewanderten nur ein gutes Drittel.

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Fachtagung „100 Jahre seit der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik“

Im Zeitraum vom 13. bis zum 15. Dezember 2024 findet die Fachtagung „100 Jahre seit der Ausrufung der Wolgadeutschen Sowjetrepublik“ im Heiligenhof (Alte Euerdorfer Str. 1, 97688 Bad Kissingen) unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder statt.

Ab sofort ist unter dem nachfolgenden Link eine Onlineanmeldung zur Fachtagung möglich:

https://heiligenhof.de/unsere-seminare/seminarprogramm/100-jahre-seit-der-ausrufung-der-wolgadeutschen-sowjetrepublik

Veranstalter ist die Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR).

Das Tagungsprogramm steht Ihnen nachfolgend als Download zur Verfügung:

Zu den Konditionen:

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BKDR beteiligt sich am kasachischen Forschungsprojekt zur Rolle der Deutschen bei der Neulanderschließung

Unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dr. Olga Litzenberger, wird an dem kasachischen Projekt „Das Neuland und das Sonderkontingent Nordkasachstan: Oral History und neue archivalische Quellen“ mitwirken. Das Projekt wird vom Ministerium für Hochschulbildung und Wissenschaft der Republik Kasachstan finanziert. Die wissenschaftliche Leitung des Projekts übernimmt Prof. Dr. Araylym Musagalieva aus Astana. Dr. Rosa Musabekova (Astana) und andere Wissenschaftler aus Kasachstan beteiligen sich gleichermaßen. Im Rahmen des Projekts sind Feldforschungen, Interviews mit ehemaligen Sondersiedlern, wissenschaftliche Seminare sowie verschiedene Publikationen geplant.

Auch minderjährige (!) deutsche Kinder waren an der Neulanderschließung beteiligt. Hier sehen Sie eine Urkunde zur Medaille für die Neulanderschließung, 1964. Archiv: Olga Litzenberger.

Das Hauptziel des Projekts besteht darin, eine fundierte Studie über die Beteiligung der Deutschen an der Erschließung des Neulandes zu erstellen. Das Forscherteam beabsichtigt, die Standorte der Sondersiedler in Nordkasachstan zu analysieren, deren Zahlenentwicklung und das Ausmaß der Ansiedlungen zu vergleichen und die Rolle von Kinderarbeit sowie von Karlag-Häftlingen bei der Neulanderschließung zu erfassen.

Die Umsetzung dieses Forschungsprojekts erfordert eine Erweiterung und Ergänzung der bestehenden deutschen und kasachischen Geschichtsschreibung, um wichtige Lücken schließen zu können – wir freuen uns auf diese Herausforderung und eine gute Zusammenarbeit!

Maria Schmidt: erste wolgadeutsche Akademikerin mit einem Doktortitel

Dokument des Monats

Ein ordentliches Studium bzw. ein Hochschulabschluss waren für Frauen im Russischen Reich bis zur bürgerlichen Februarrevolution im Jahre 1917 praktisch unzugänglich. Es gab zwar einige nur für Frauen bestimmte Hochschulen und sogenannte „höhere Kurse“, doch deren Absolventinnen verfügten nach dem Abschluss über keine vergleichbaren Rechte wie ihre männlichen Kollegen. Darüber hinaus war die Auswahl der Studienfächer sehr begrenzt. Deshalb gingen viele russische Bürgerinnen zum Studium ins Ausland, wo sie mit wenigen Einschränkungen rechneten. Die Emanzipationsbewegung im Bildungsbereich erreichte nicht nur Russinnen, sondern auch die deutschen Siedlerinnen in Russland.

Kopie der französischen Promotionsurkunde („Doktordiplom“) und die russische Übersetzung, beglaubigt vom Notar A. Polubojarinow am 3. Oktober 1915 in Saratow; übersetzt von Olga Sobolewa. Das vollständige Dokument s. unten.

Bisher ist noch wenig über die Anfänge der akademischen Ausbildung von Frauen unter den deutschen Siedlern bekannt. Allerdings besuchten Dutzende sogenannter „Kolonistentöchter“ – verstärkt ab Ende des 19. Jahrhunderts – russische Mädchengymnasien und andere Arten höherer Schulen, deren Abschluss (Reifezeugnis) als Berechtigung zum Studium galt. Eine von ihnen war Maria Schmidt, die bezeichnenderweise nicht in Deutschland – was aus sprachlichen und anderen Gründen nahegelegen hätte – sondern in Frankreich an der Universität Montpellier Naturwissenschaften und Medizin studierte und im Anschluss am 29. Juli 1915 erfolgreich ihre Dissertation verteidigte.

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„Loyalität, Vertrauen, Diskriminierungserfahrung“

Die Deutschen im Russländischen Reich, in der Sowjetunion, den Nachfolgestaaten und nach der Übersiedlung nach Deutschland und ihr Verhältnis zum Staat

Vom 18. bis zum 20. Oktober 2024 fand eine weitere wissenschaftliche Konferenz in den Räumlichkeiten des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland (BKDR) in Nürnberg statt. Initiiert und durchgeführt wurde diese vom BKDR in Kooperation mit der Wissenschaftlichen Kommission für die Deutschen in Russland und in der GUS (WKDR) unter ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Dietmar Neutatz von der Freiburger Universität. An der hybriden Konferenz haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Russland, Kasachstan, Österreich, der Ukraine und Kanada teilgenommen.

Die Geschichte der Deutschen im Russländischen Reich, in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten bot im Verlauf von zwei Jahrhunderten vielfältige Konstellationen, in denen sich die Frage nach dem Verhältnis zum Staat einerseits und den Erfahrungen mit der Staatsmacht andererseits stellte. Loyalität, Vertrauen und Diskriminierungserfahrung sind in diesem Kontext hilfreiche Kategorien, die in der neueren Forschung zu multiethnischen Imperien fruchtbar gemacht wurden. Nachstehend ein tiefer Einblick in die Vortragsthemen der entsprechenden Referenten.

Nachstehend finden Sie das Programm der Tagung des BKDR in Kooperation mit dem WKDR:

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BKDR-Bildungsreise 2024: „Auf deutschen Spuren in Georgien“ (TEIL 2)

Bereits in der vergangenen Woche haben wir exklusiv von der BKDR-Bildungsreise nach Georgien berichtet. Mittlerweile ist die 20-köpfige Reisegruppe unter der Leitung von Waldemar Eisenbraun (Leitung BKDR) und Prof. Dr. Olga Litzenberger (wissenschaftliche Mitarbeiterin) wieder wohlbehalten nach Deutschland zurückgekehrt und um einiges an Fachwissen sowie wundervollen Erinnerungen reicher.

Doch vorher waren die Teilnehmer in Trialeti (ehemals „Alexanderhilf“) und darüber hinaus in der ehemaligen deutschen Siedlung „Elisabethtal“ (heute Assureti) in der Nähe von Tiflis in der georgischen Verwaltungsregion „Niederkartlien“, um deutsche Baudenkmäler und Friedhöfe zu besichtigen. Weitere beeindruckende Reiseziele an den Programmtagen waren unter anderem die Swetizchoweli-Kathedrale sowie das Kloster Dschwari, die zum UNESCO-Welterbe gehören.

Am Tag ohne festgelegte Programmpunkte verständigte sich die Gruppe während der freien Zeit darauf, einen gemeinsamen Ausflug zur Burg Ananuri zu unternehmen, die an der Georgischen Heerstraße, einer Fernstraße in der größten Gebirgskette im Kaukasus, liegt. Die Kaukasiendeutschen selbst kamen weitestgehend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Land.

Der letzte Tag vor der Abreise bestand darin, nach Sartichala, einer ehemaligen Siedlung der Kaukasiendeutschen, zu reisen. Bis 1944 trug der Ort den deutschen Namen „Marienfeld“. Den Abschluss bildete der Besuch eines deutschen Weinbetriebs in Sighnaghi und damit verbunden einer Führung zur Historie des deutschen Weinanbaus sowie anschließender Verkostung.

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BKDR-Bildungsreise 2024: „Auf deutschen Spuren in Georgien“

Heuer findet zum zweiten Mal in Folge die BKDR-Bildungsreise nach Georgien statt. Dabei konnte die Reisegruppe (20 Personen) unter der Leitung von Waldemar Eisenbraun (Leitung BKDR) und Prof. Dr. Olga Litzenberger (wissenschaftliche Mitarbeiterin) bereits zahlreiche Orte und Denkmäler besuchen, die das kulturelle Erbe der ehemaligen deutschen Siedler nach wie vor in eindrucksvoller Weise präsentieren.

Mehrere deutsche Siedlungen, die im frühen 19. Jahrhundert in Georgien entstanden sind und bis zur Deportation der deutschstämmigen Bevölkerung im Jahre 1941 Bestand hatten, werden bis heute für zukünftige Generationen erhalten. So konnten die Exkursionsteilnehmer schon am ersten Programmtag nach der selbst gestalteten Stadtrundfahrt „Auf deutschen Spuren in Tiflis“ die ehemaligen deutschen Siedlungen „Neu-Tiflis“ und „Alexandersdorf“ besuchen. Im Anschluss daran erfolgte die Besichtigung des Hauptsitzes der Assoziation der Deutschen Georgiens „Einung“ mit einer Präsentation des Vorstands sowie einem Austausch mit den hiesigen Projektleitern. Den letzten Tagespunkt bildete der Besuch der evangelisch-lutherischen Versöhnungskirche.

Zusätzlich konnten im ersten Teil der noch stattfindenden Bildungsreise weitere Fahrten in ehemalige deutsche Siedlungen unternommen werden, wie bspw. nach Tamarissi (ehemals Traubenberg) sowie Bolnisi (ehemals Katharinenfeld), wo auch heute noch Weinbetriebe nach deutscher Tradition weiterhin tätig sind. Im Zuge dessen wurde ebenfalls das Walker-Haus-Museum besichtigt. Gleichermaßen war ein Besuch des Nationalmuseums Teil der umfangreichen und vielseitigen Programmpunkte. Einige Teilnehmer der Bildungsreise konnten sogar vor dem Haus ihrer Vorfahren in Bolnisi (ehem. Katharinenfeld) ein Foto aufnehmen.

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Die Lage der Ev.-Luth. Kirche in der UdSSR im Jahre 1934

Dokument des Monats

Zu Beginn der 1930er-Jahre war die Lage der organisierten Evangelisch-Lutherischen Kirche und ihrer Diener in der UdSSR äußerst prekär. Die Kirche wurde im Zuge der sozialistischen Umgestaltung systematisch unterdrückt, ihrer Besitzungen komplett beraubt, ihre Organisationen und Aktivitäten wurden verboten und sie an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Sowjetmacht konfiszierte die Wohnungen der Pfarrer und überführte sie als einstige Stützen des Altregimes in die Kategorie „stimmlose“. Das bedeutete u. a. den Ausschluss von sozialen Leistungen wie Kranken- oder Rentenversicherung, und ihre Kinder durften nicht studieren. Ihre im Allgemeinen geringeren Gehälter unterlagen einer erhöhten Besteuerung. Für jedes auch noch so geringfügige Vergehen drohten ihnen hohe administrative Strafen oder gar Verhaftungen. Offene Verunglimpfungen und Beleidigungen waren an der Tagesordnung. Das war buchstäblich ein täglicher Kampf ums nackte Überleben, der die meisten Geistlichen in der UdSSR zermürbte.

Dokumentausschnitt: Unterstützung des Gustav-Adolf-Vereins für die Schwesterkirche in der UdSSR, 1934 (Das gesamte Dokument lesen Sie weiter unten …)

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Schlussbetrachtungen zur wiss. Reihe „Erste russlanddeutsche Akademiker“

Der Vorabdruck von Biografien der ersten Akademiker aus der Mitte der Siedler-Kolonisten ist Ende 2023 abgeschlossen worden. Seit Juli 2020 sind in der Zeitschrift „Volk auf dem Weg“ (VadW) 34 Folgen mit insgesamt 183 Lebensläufen von „Kolonistensöhnen“ erschienen, die an der Universität Dorpat (ab 1893 – Jurjew, heute Tartu in Estland) von 1802 bis 1918 studiert hatten. Unter allen Hochschulen des damaligen Russischen Reiches verzeichnete diese baltische Universität die größte Anzahl von Studierenden aus dem deutsch-bäuerlichen Siedlermilieu. Siehe Tabelle 1:


Demnach stellten die Schwarzmeerdeutschen die meisten der Studierenden: 105 Personen oder 57 Prozent, davon allein aus Bessarabien 48 Personen. An zweiter Stelle folgten ihnen zahlenmäßig die Wolgadeutschen (einschließlich der Studierenden aus Sarepta und den Mennonitendörfern der Region) mit 67 Personen bzw. 37 Prozent. Eine kleine Differenz im Vergleich zur bereits in der VadW gedruckten Fassung geht auf die genauere regionale Zuordnung eines Studenten zurück. Wesentlich weniger Immatrikulationen gab es bei den Transkaukasusdeutschen: 10 Personen bzw. 5 Prozent.

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Statistik des Monats „September 2024“

Nachdem wir Ihnen im vergangenen Monat die „Überwiegend im Freundes-/Bekanntenkreis gesprochene Sprache 2020 (nach Bildungsniveau und Migrationshintergrund)“ vorgestellt haben, präsentieren wir Ihnen in diesem Monat die „Kontakthäufigkeit zu Deutschen im Freundes- und Bekanntenkreis, am Arbeitsplatz und in der Nachbarschaft 2020 (nach Migrationshintergrund)“.

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Ein aufschlussreiches Dokument über deutsche Sondersiedler aus dem Jahr 1956

Dokument des Monats

Als „Dokument des Monats“ möchten wir Ihnen eine behördliche Auskunft über die deutschen Sondersiedler aus einer der administrativ-territorialen Einheiten im Gebiet Swerdlowsk vorstellen. Welche Schlussfolgerungen und Erkenntnisse lassen sich aus diesem seltenen Dokument aus dem Jahr 1956 gewinnen?

(Quelle: Dokumentationszentrum der gesellschaftlichen Organisationen des Gebiets Swerdlowsk, Stadt Jekaterinburg).

1) Diese Bescheinigung enthält einige Auslassungen und falsche Behauptungen, etwa dass die Ausweisungen der deutschen Minderheit nur aus der Wolgarepublik sowie den Städten Moskau und Leningrad stattfanden. Es ist indessen allgemein bekannt, dass es auch Deportationen aus dem Transkaukasus, der östlichen Ukraine und dem Nordkaukasus gegeben hat – kurzum, aus Dutzenden von Regionen und Städten im europäischen Teil des Sowjetstaates. Die Behauptung, dass neben den Männern auch „arbeitsfähige alleinstehende Frauen“ zur Arbeit mobilisiert wurden, ist schlichtweg falsch. Nachweislich wurden unter anderem kinderreiche Mütter, Jungen ab 15 Jahren und Mädchen ab 16 Jahren – also noch Kinder – für die Dauer des Krieges in diverse Zwangsarbeitslager gebracht. Immerhin sind die Verfasser des Dokuments insofern „ehrlich“, als sie offen zugeben, dass deutsche Sowjetbürger dem „Lagerregime unterstellt“ und bewacht wurden; konkret bedeutet dies, dass man sie als Kriminelle behandelte.

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Dokumente jüngster Geschichte: Zwei Präsidentenerlasse zu einem ähnlichen Thema, die jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten

In weniger als zwei Jahren, am 21. April 2014 und am 31. Januar 2016, hat Präsident Wladimir Putin zwei Erlasse in Bezug auf die Deportationen einiger Völker während der Stalinzeit unterzeichnet. Sie wurden hauptsächlich den zwei bis heute nicht vollständig rehabilitierten Nationalitäten gewidmet: den Krimtataren sowie den Wolgadeutschen – und damit insgesamt der Gruppe der Russlanddeutschen.

Auf dem Foto sehen Sie einen Teil der Absage in Bezug auf die Wiederherstellung der wolgadeutschen Autonomie. Quelle: Dr. Viktor Krieger.

Im ersten Fall handelte es sich um einen Rechtsakt betreffend die Rehabilitierung des Krimtatarischen und einer Reihe anderer Sowjetbürger armenischer, italienischer, griechischer, deutscher und bulgarischer Nationalität, die nach 1941 im Zuge der stalinistischen Repressalien aus der damaligen Autonomen Republik Krim deportiert wurden:

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Zur Entstehungsgeschichte der Petri-Pauli-Kirche in Tiflis

(Dokument des Monats)

Unser Quellenbestand zur Geschichte der deutschen Minderheit im Transkaukasus ist um ein weiteres seltenes Dokument reicher geworden. Es handelt sich um den „Bericht über den Bau der Evangelisch-Lutherischen PETRI-PAULI-KIRCHE in Tiflis 1893–1897“, herausgegeben vom Kirchenrat, Tiflis 1898.

Titelseite des Berichts

In der Broschüre finden sich wertvolle Hinweise auf die Entstehungsgeschichte der städtischen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Tiflis (heute Tbilissi), die mit der Ansiedlung der württembergischen „Glaubensseparatisten“ im Herbst 1818 in direkter Verbindung steht.

Unter den anfänglich sieben Kolonien gab es eine unmittelbar in der Vorstadt mit dem Namen Neu-Tiflis. Dort wurde bereits im Februar 1834 das erste Kirchengebäude eingeweiht; die Siedlung selbst wurde 1861 eingemeindet und bildete seither den Kern des Kirchspiels Tiflis. Mit der Zeit wurden die Räumlichkeiten der einstigen Kolonistenkirche zu eng für die rasch wachsende Stadtgemeinde, und so beschloss der Kirchenrat, ein neues Gotteshaus zu bauen.

Die Broschüre enthält detaillierte Schilderungen nicht nur des finanziellen und bautechnischen Ablaufs der Bauarbeiten, sondern auch der innerkirchlichen Entwicklungen der Tifliser Gemeinde im 19. Jahrhundert. Am 18. Mai 1897 wurde die Petri-Pauli-Kirche unter großem Aufgebot von zahlreichen kirchlichen und weltlichen Würdenträgern, darunter Großfürst Nikolai Michajlowitsch und weitere hochrangige Vertreter der Militär- und Zivilverwaltung im Transkaukasus, eingeweiht.

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Viktor Krieger auf Recherchereise in Berlin

Unser wissenschaftlicher Mitarbeiter, Dr. Viktor Krieger, war vom 17. bis zum 21. Juni auf einer Recherchereise im Evangelischen Zentralarchiv (EZA) und in der Bibliothek des Bundesarchivs in Berlin. Das Evangelische Zentralarchiv beherbergt umfangreiches Material zur Kirchenpolitik des Sowjetstaates in den 1920er- und 1930er-Jahren. Interessant und aufschlussreich fand Krieger die Reaktionen, die diese Politik in kirchlichen Kreisen verschiedener europäischer Staaten ausgelöst hatte. Die Kirche hatte damals im Rahmen der Aktion „Brüder in Not“ vielfältige Unterstützung für die Wolga- und Schwarzmeerdeutschen, insbesondere während der Hungerjahre 1920‒1924 sowie Anfang der 1930er-Jahre geleistet.

Ev. Zentralarchiv, Berlin.

Die wachsende Unterdrückung und Verfolgung der deutschen Gläubigen sowie der evangelischen und katholischen Geistlichen lösten vor allem in Deutschland große Empörung aus und führten dazu, dass zahlreiche Hilfsaktionen ins Leben gerufen wurden. Davon zeugen dutzende Aktenordner, die verschiedene Berichte, Rechenschaften, Stellungnahmen, Statistiken, Briefwechsel von zahlreichen Personen mit In- und Ausland und dergleichen enthalten.

Insbesondere die Unterlagen des Gustav-Adolf-Werkes der Ev. Kirche Deutschlands zeigen das Ausmaß an Unterstützung für bedrängte Geistliche und einzelne Gläubige, sei es in Form von Hilfspaketen oder Überweisungen via Torgsin*, die eine Zeitlang möglich waren. Vor allem die Geistlichen fungierten damals als Vertrauenspersonen, empfingen und leiteten die Hilfe an die bedürftigen Gemeindemitglieder weiter.

Die in der UdSSR ausharrenden Pfarrer äußerten immer wieder den Wunsch, ihren Kindern die christliche Erziehung und höhere Bildung in Deutschland zu ermöglichen, da beides in der Sowjetunion nicht möglich war. Der Schriftwechsel allein zu diesem Thema füllt mehrere Aktenordner.

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