Eine Landkarte aus dem Jahr 1938 als Instrument der nationalsozialistischen Ideologie

Dokument des Monats Februar

Im Rahmen der Rubrik „Dokument des Monats“ möchten wir eine vielsagende Landkarte aus dem Jahr 1938 präsentieren. Diese zeigt laut Überschrift „den deutschen Bevölkerungs- und Kulturanteil in den Staaten Europas“ an. Was allerdings unter „Kulturanteil“ wirklich gemeint ist, geht aus der grafischen Darstellung leider nicht klar hervor. Hier liegt die Vermutung nahe, dass die Begriffe „Deutsch“ und „Kultur“ als gleichbedeutend eingestuft werden.

Deutschsprachige Minderheiten in europäischen Ländern, 1938 © Bundesarchiv

Die Bevölkerungszahlen und Siedlungsgebiete sind ziemlich genau angegeben. Allerdings handelt es sich hierbei faktisch lediglich um die Anzahl von Deutschsprachigen in den jeweiligen Staaten, denn 1938 verstand sich die Bevölkerung in der Schweiz, Elsass-Lothringen mehrheitlich oder auch teilweise in Österreich nicht als Deutsche, sondern als eigenständige Nationalitäten bzw. Nationen. Die Karte wurde nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland veröffentlicht, die österreichische Bevölkerung wurde aus diesem Grunde administrativ de facto zu den Reichsdeutschen gezählt.

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Ein Zeichen gegen die staatliche Germanophobie aus dem Jahr 1967

(Dokument des Monats)

Subtile und offene Formen von Stimmungsmache gegen die Deutschen begleiteten die Geschichte der Sowjetunion seit Anfang der 1930er-Jahre bis zum totalen Zusammenbruch des Sowjetsystems 1991. Besonders stark waren sie verständlicherweise während des Deutsch-Sowjetischen Krieges sowie unmittelbar danach ausgeprägt. Aber auch in der „Nach-Stalin-Ära“ blieben die germanophoben Einstellungen und Vorurteile sehr virulent (siehe dazu unseren Beitrag Germanophobie im Russischen Reich und in der Sowjetunion).

Einer der wenigen Beispiele des Kampfes gegen dieses weit verbreitete Übel liefert uns das Archiv der Zeitung „Freundschaft“. Sie wurde ab dem 1. Januar 1966 zunächst in Zelinograd (heute Astana) und später, ab 1988, in Alma-Ata (Almaty), der damaligen Hauptstadt der Unionsrepublik Kasachstan, als Tageszeitung herausgegeben und erscheint aktuell als Wochenschrift unter dem neuen Namen „Deutsche Allgemeine Zeitung“ (DAZ).

Briefkopf der Zeitung „Freundschaft“, © Archiv des Präsidenten der Republik Kasachstan (AP RK), Almaty

Briefkopf der Zeitung „Freundschaft“.

© Archiv des Präsidenten der Republik Kasachstan (AP RK), Almaty.

Der erste Chefredakteur hieß Alexei Borisowitsch Debolski (1916-1997) – in politischen Angelegenheiten trat er unter dem Pseudonym Schmeljew auf: Debolski prägte das Erscheinungsbild der Zeitung mehr als zehn Jahre lang bis 1977. Er hatte aktiv am „Großen Vaterländischen Krieg“ teilgenommen und nach 1945 einige Jahre als Journalist für die „Tägliche Rundschau“ in Berlin gearbeitet. Als ehemaliger Politoffizier mit hervorragenden Kenntnissen der deutschen Sprache, der sich zudem literarisch betätigte, schien er ideal geeignet zu sein, um ein Presseorgan für die deutsche Minderheit im ideologisch erwünschten Sinne zu gestalten.

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Abschlussaufsatz über Bessarabiendeutsche an der Universität Dorpat

Das aktuelle Jahrbuch der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen enthält den Abschlussaufsatz unseres wissenschaftlichen Mitarbeiters, Dr. Viktor Krieger, über bessarabiendeutsche Studenten an der Universität Dorpat zu Zarenzeit. Den ersten Beitrag dazu im Jahrbuch 2022 finden Sie HIER! auf unserer Homepage.

Letztendlich konnten 48 Siedler-Kolonisten aus Bessarabien ermittelt werden, die in den Jahren 1802 bis 1918 in Dorpat studiert hatten, davon genau die Hälfte oder 24 im Hauptfach Theologie. An zweiter Stelle fungierte die Medizinausbildung (12), gefolgt von Rechtswissenschaften (6), Philologie/Geschichte (4) und den naturwissenschaftlichen Fächern (2).

Zeitlich betrachtet, weist das gesamte 19. Jahrhundert 20 Studierende aus der Region auf. In etwa genauso viele (19) besuchten die Bildungsstätte in den letzten acht Jahren ihres Bestehens (1911‒1918). Dies spiegelt nur einige Ergebnisse dieser Untersuchung wider. Im Aufsatz werden die vielfältigen Lebens- und Berufswege der studierenden „Kolonistensöhne“ ausführlich analysiert. Anstelle dieser russischen kaiserlichen Bildungsanstalt entstand im unabhängigen Estland ab 1919 die nationale Universität Tartu (siehe: Krieger, Viktor: „Siedler-Kolonisten aus Bessarabien an der Universität Dorpat, Teil II“, aus: Jahrbuch der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen, Heimatkalender 2024, S. 33‒61.).

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Wolgadeutsche Volkslehrer an den Fronten des Ersten Weltkrieges

Der Erste Weltkrieg 1914-1918, den der amerikanische Historiker George Kennan als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, hat im Russischen Reich am stärksten die deutsche Minderheit getroffen. Es lag in erster Linie an der militärischen Konfrontation mit dem Deutschen Reich, infolgedessen nicht nur der „äußere Deutsche“, d.h. die Bewohner Deutschlands, sondern auch der „innere Deutsche“, die deutschsprachigen bzw. -stämmigen Bürger des eigenen Landes zu Feinden Russlands erklärt wurden [siehe: „Den inneren Deutschen besiegen„].

Immerhin fand im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg bzw. dem „Deutsch-Sowjetischen Krieg“ 1941-45 noch keine totale Entrechtung der „russischen“ Deutschen statt – ungeachtet zahlreicher Diskriminierungen, antideutscher Propaganda, beginnender Enteignungen oder gar partieller Deportationen aus den frontnahen Gebieten. Der wichtigste Unterschied betraf die Rekrutierungspraxis: Der deutschbaltische Adlige oder ein Schwarzmeer- oder Wolgakolonist wurden gleichermaßen wie andere Vertreter aus den Reihen der russländischen Völker (ausgenommen zentralasiatische und sibirische Ureinwohner) zum Dienst an der Front einberufen.

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Erste russlanddeutsche Akademiker im Zarenreich (Folgen 27 und 28)

Die Steinwandsein akademischer Familienverband aus Bessarabien

Daniel Steinwand (1857-1919), ein Porträt aus der Zeit um 1910. © Bundesarchiv, Berlin

Nachdem wir in den letzten Folgen dieser Reihe die Familie Seib vorgestellt hatten, möchten wir dieses Mal auf die Mitglieder der Familie Steinwand aus der ehemaligen deutschen Kolonie bzw. Siedlung Klöstitz in Bessarabien eingehen. Als Erster aus dieser Familie wurde Daniel Steinwand (1857–1919) Akademiker. Seine Eltern waren früh gestorben und er war deshalb zunächst in die Obhut von entfernten Verwandten aus der benachbarten Siedlung Sarata gekommen. Obwohl Daniel Steinwand „wenig Anregung für geistige Tätigkeit fand“ (wie ein Zeitgenosse von ihm bemerkt hatte), ließ er sich nicht entmutigen und kümmerte sich mit einem eisernen Willen um seine eigene Bildung, der ihn schließlich nach Dorpat, an die dortige Universität, führte. Nach dem Abschluss des Theologiestudiums amtierte er ab 1886 als Pastor im Kirchspiel Worms-Johannistal und ab 1908 in Odessa.

Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, engagierte sich stark im Gemeinde- und Gesellschaftsleben. Die Liste seiner ehrenamtlichen Ämter und kulturellen Aktivitäten ist recht lang. Hier nur einige davon: Er regte jährliche Lehrerkonferenzen seines Kirchspiels an und gründete 1887 in Worms eine Schule für taubstumme Kinder samt Internat, Lehrerwohnungen und Werkstätten. Im „Südrussischen Deutschen Verein“ kümmerte er sich von 1906 bis 1914 um Schul- und Kirchenangelegenheiten. Er war einer von Initiatoren bei der Gründung des „Evangelischen Lazaretts für verwundete russische Krieger“, das 1914 in Odessa eröffnet wurde. Darüber hinaus entfaltete Pastor Steinwand eine rege publizistische Tätigkeit: Er gab Sammlungen seiner Predigten und Reden heraus, veröffentlichte zahlreiche Artikel in der „Odessaer Zeitung“ sowie anderen Presseorganen und redigierte etliche Jahre lang den „Christlichen Volksboten für die ev.-luth. Gemeinden in Südrussland“.

Jedem seiner vier Söhne ermöglichte er eine akademische Ausbildung bzw. Laufbahn. Zwei von ihnen gingen ebenfalls nach Dorpat und wurden genauso wie ihr Vater Pastoren: Friedrich (1888–1937) und Ludwig (1889 – nach 1941). Sein Neffe Eduard Steinwand (1890–1960) schlug eine ähnliche Laufbahn ein und wurde später sogar Professor an der Universität Erlangen.

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Das Krim-Taurien-Projekt aus dem Jahr 1918 und Pastor Immanuel Winkler

Anknüpfend an unseren letzten Beitrag unter dem Titel „Wie und wann entstand der Begriff „Schwarzmeerdeutsche“? im Rahmen der Reihe Dokument des Monats, möchten wir ein weiteres interessantes Dokument aus dieser Zeit vorstellen.

Es handelt sich dabei um ein Projekt aus dem Jahr 1918, das sich mit der Schaffung einer deutschen Kronkolonie unter dem Namen „Krim-Taurien“ befasst und auf Pastor Immanuel Winkler (1886–1932) als Initiator zurückgeht.

Immanuel Winkler als Theologiestudent an der Universität Dorpat, 1904.
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BKDR-Fachtagung: „Deutsches Radio in Kasachstan – Rückblick und Perspektiven“

„Es gab Gott und danach Minna Wagner“, beschrieb Michael Mastel (Karlsruhe) die Beliebtheit der deutschen Sendungen in Kasachstan am Beispiel seiner Mutter und sprach damit zahlreichen Deutschen der Nachkriegszeit, die in Kasachstan, der Altairegion oder Omsk sehnsüchtig dem deutschen Wort aus dem Hörfunkgerät lauschten, geradezu aus der Seele.

Das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland (BKDR) lud Hermina Wagner und vier weitere ehemalige Mitarbeiter des deutschen Hörfunks in Kasachstan sowie weitere Experten aus den Bereichen „Deutscher Rundfunk“ und „Printmedien“ in der ehemaligen Sowjetunion, im heutigen Kasachstan und Deutschland zur Fachtagung „Deutsches Radio in Kasachstan – Rückblick und Perspektiven“ vom 18.-19. November 2023 in die Räumlichkeiten des BKDR ein. In diesem Jahr feierte das deutsche Programm in Kasachstan seinen 65. Gründungstag.

Die Teilnehmer der BKDR-Fachtagung „Deutsches Radio in Kasachstan – Rückblick und Perspektiven“

Die Teilnehmer wurden von Waldemar Eisenbraun (Leitung BKDR) auch im Namen des Vorsitzenden des BKDR-Trägervereins, Herrn Ewald Oster, herzlich begrüßt. In der Einführung berichtete Eisenbraun über die Aktivitäten des Kulturzentrums und betonte anhand von Videobeiträgen zur Einweihung 2019 sowie zur Veranstaltung „30 Jahre Spätaussiedler in Bayern“ die Bedeutung der Kulturstätte als „Leuchtturmprojekt“, das bundesweit einmalig ist. Anfang 2024 feiert das BKDR sein 5-jähriges Bestehen.

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Wie und wann entstand der Begriff „Schwarzmeerdeutsche“?

Seit ihrer Einwanderung in die Schwarzmeergebiete des Russischen Reiches Ende des 18. Jahrhunderts bezeichneten sich die deutschen Siedler als „südrussische Kolonisten“, was vor allem ihre ständische Verortung verriet. Vom russischen Staat wurden diese Siedler seit ihrer Ankunft in einen besonderen Stand erhoben:

„Als Kolonisten werden nur solche Ausländer anerkannt, die sich auf Kron-, Privat- oder auf als Eigentum erworbenen Ländereien als Landwirte oder als in der Landwirtschaft nötige Handwerker ansiedeln; keineswegs dürfen ihnen Ausländer zugezählt werden, die sich, einzeln oder mit Familie, zwecks Handel und Gewerbe oder zum Erwerb eines städtischen Standes niederlassen. Hinweis: Die Einladung von Ausländern zur Ansiedlung wurde 1819 endgültig eingestellt, doch wurde nachträglich zu verschiedenen Zeiten die Übersiedlung von Ausländern nach Russland genehmigt.“

(Aus dem „Gesetz über die Kolonien der Ausländer im Russischen Reich“, dem sogenannten  „Kolonialkodex“, 1857).

Eine Bescheinigung des „Verbandes der deutschen Kolonisten im Schwarzmeergebiet“, die dem bessarabischen Studenten Cristian Sawall am 14. September 1918 für sein weiteres Studium in Dorpat ausgestellt wurde.  ©Estnisches Nationalarchiv.
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Internationale Konferenz in Regensburg

Am 6. und 7. Oktober 2023 fand am Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa (WiOS) in Regensburg eine hochkarätig besetzte Konferenz mit dem Titel „Vertreibung und Erinnerung. Forschungsstand und Geschichtspolitik im östlichen Europa“ statt. Führende Wissenschaftler dieses Fachgebiets aus Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei, Rumänien, Kroatien, Ungarn und Estland waren vertreten. Sie haben zum einen die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der Umsiedlung, Deportation oder der Vertreibung der Deutschen aus ihren Ländern geschildert. Zum anderen wurden die Geschichtsschreibung und gesellschaftliche Auseinandersetzungen in der Nachkriegszeit mit dem historischen und kulturellen Erbe der einstigen deutschen Einwohner thematisiert.

Organisiert hat diese Tagung die Forschungsstelle „Kultur und Erinnerung. Heimatvertriebene und Aussiedler in Bayern 1945–2020“, die auf Initiative von Sylvia Stierstorfer, der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, für den Zeitraum von 2022 bis 2025 gefördert wird. Angesiedelt ist sie beim Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg und wird von Prof. Dr. Katrin Boeckh geleitet.

Unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Viktor Krieger war Teilnehmer der Konferenz und referierte zum Thema: „Die Ausreisebewegung nach Deutschland im Spiegel der sowjetischen und postsowjetischen Historiographie“.

Das Programm zur Konferenz finden Sie hier:

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BKDR-Bildungsreise nach Georgien

Die diesjährige BKDR-Bildungsreise „Auf deutschen Spuren in Georgien“ führt die etwa 20 Teilnehmer nach Georgien in ein Land, in dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts einige deutsche Siedlungen gegründet wurden und dort bis zur Deportation der deutschstämmigen Bevölkerung im Jahre 1941 existierten.

Die Gruppe der BKDR-Bildungsreise vor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tiflis.

Am ersten Tag erkundete die Reisegruppe die deutschen Spuren in der georgischen Stadt Tiflis (Tbilissi), besuchte dabei die offizielle Vertretung der deutschen Minderheit in Georgien („Einung“) und wurde von dem Präsidenten dieser Organisation, Alexander Feldmaier, sehr herzlich empfangen. Er stellte den Gästen die Arbeit seiner Vereinigung vor, die vornehmlich darin besteht, die deutsche Kultur und Sprache im Land weiterhin zu bewahren und zu fördern. Unsere BKDR-Mitarbeiter Prof. Dr. Olga Litzenberger und Artur Böpple übergaben der „Einung“ eine Reihe an Büchern, die im BKDR Verlag erschienen sind.

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Was davor geschah und danach: der 28. August 1941

Die geheimen Entscheidungen (Dokument des Monats)

Wichtige Erkenntnisse zur Vorgeschichte der Massendeportationen der sowjetdeutschen Bevölkerung fehlen uns leider immer noch, weil der Zugang zu den entsprechenden Archiven des Politbüros oder der Staatssicherheit (NKWD bzw. KGB) nach wie vor praktisch versperrt ist. Der Deportationserlass vom 28. August 1941 fiel, bildhaft gesagt, nicht vom Himmel herab.

Nach dem Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion nahm die Angst vor feindlichen Spionen und Fallschirmjägern geradezu hysterische Züge an, wodurch jeder deutschsprachige Sowjetbürger schnell unter den Verdacht geraten konnte, ein Gestapo- oder Abwehragent zu sein. Es folgten zahlreiche Verhaftungen von Emigranten und deutschen Sowjetbürgern in den ersten Wochen und Monaten des Krieges. Allein in den drei ukrainischen Gebieten Saporoschje, Stalino und Woroschilowgrad nahm der NKWD insgesamt 7.091 Deutsche fest.

Seite 1 des Beschlusses vom 26.08.1941

Die militärische Führung versuchte ihrerseits, ähnlich wie im Ersten Weltkrieg, ihr Versagen unter anderem durch die „verräterischen“ Aktivitäten der „einheimischen Deutschen“ in den frontnahen Gebieten zu erklären. Sie wurden pauschal als illoyale Bürger denunziert, ihre Ausweisung wurde gefordert. So begann etwa bereits am 15. August 1941, auf Betreiben des Rats für Evakuierungsangelegenheiten und des Kriegsrats der Südfront, die Zwangsaussiedlung von 53.000 Krim-Deutschen. Die Aktion wurde verschleiernd als „Evakuierung“ bezeichnet. Und am 24. August wurde Joseph Stalin von den Politbüro-Mitgliedern Andrei Schdanow, Wjatscheslaw Molotow und Georgi Malenkow über ihr Vorhaben informiert, 88.700 Finnen und 6.700 Deutsche aus dem Leningrader Gebiet auszuweisen.

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Neuer Dokumentensammelband von Dr. Alfred Eisfeld und Olga Eisfeld erschienen

Die Themen Deportation und Flucht gewannen im 21. Jahrhundert erneut an Aktualität und Bedeutung für Länder auf allen Kontinenten der Erde sowie für die internationale Forschung. Die Deportation der deutschen Bevölkerung in der UdSSR während des Zweiten Weltkrieges und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung in deren Nachbarschaft sowohl in den Wohnorten der Vorkriegszeit als auch in den Verbannungsorten ist bisher nur fragmentarisch erforscht. Vor der „Perestroika“ wurde darüber kaum geforscht, weil es schlichtweg keinen Zugang zu Archiven der kommunistischen Partei und der staatlichen Verwaltungsorgane gab. Wenn einzelne Dokumente für wissenschaftliche Publikationen freigegeben wurden, dann ohne jegliche Erwähnung von NKWD und der für Repressalien verantwortlichen Personen. Das jeweilige Dokument wurde bis zur Unkenntlichkeit verändert. Im vorliegenden Dokumentensammelband stellten die Herausgeber Dr. Alfred Eisfeld und Olga Eisfeld nun 210 Dokumente in der Originalsprache zusammen, darunter 133 aus den Beständen des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation: diese wurden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Weitere 73 Dokumente waren bereits in verschiedenen russischen Editionen enthalten. Die Dokumente sind in chronologischer Reihenfolge angeordnet. So ist die Dynamik der in verschiedenen Regionen der UdSSR stattgefundenen Ereignisse, deren Wechselwirkungen und die zeitliche Abfolge der Deportationsprozesse gut nachvollziehbar.

Buchtitel: Deportation der Deutschen aus dem europäischen Teil der Russischen Föderation 1941-1942, Dokumentensammlung (Депортация немцев из европейской части РСФСР 1941-1942, Сборник документов), hrsg. von Dr. Alfred Eisfeld und Olga Eisfeld, ISBN: 978-3-948589-44-8, 500 S., BKDR Verlag, Preis: 36,- EUR. Bestellbar unter Tel.: 0911-89219599 oder per eMail: kontakt@bkdr.de

INHALTSVERZEICHNIS

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Erste russlanddeutsche Akademiker im Zarenreich (Folgen 24, 25 und 26)

Die Seibs, eine Pastorenfamilie

Im Rahmen unserer wissenschaftlichen Forschungsreihe „Erste russlanddeutsche Akademiker“ möchten wir einen bemerkenswerten Familienverband vorstellen. Der Küsterlehrer Valentin Seib aus Elisabethdorf im Kreis Mariupol übte seine schulischen sowie kirchlichen Aufgaben in verschiedenen Ortschaften im Schwarzmeergebiet aus. Unter seinem Einfluss entschieden sich drei seiner Söhne für den Pastorenberuf und studierten in Dorpat Theologie: Eduard (1872 – ?; nach 1936), Otto (1884–1953) und Woldemar (1889 – ?; nach 1935). Es war für die damalige Zeit höchst außergewöhnlich, dass aus einer bäuerlichen Kolonistenfamilie gleich drei Akademiker hervorgingen.

Ihr Berufsweg zeichnete sich durch eine aktive seelsorgerliche Tätigkeit sowie durch besondere Tragik aus, bedingt durch die antireligiöse Politik der bolschewistischen Partei. Eduard und Woldemar mussten die ganze Willkür der stalinistischen Gewaltherrschaft erleben und ihr Leben im Straflager bzw. in ihren Deportationsorten lassen. Die genauen Umstände ihres Todes sind bis heute unbekannt.

Auch Otto Seib wurde nach der bolschewistischen Machtergreifung 1917 schikaniert. Wie durch ein Wunder erlaubte ihm die kommunistische Regierung etliche Jahre später, nach Deutschland auszureisen. Es war eine der letzten Ausreisegenehmigungen, die der Sowjetstaat einem Pastor erteilte. Er verließ die UdSSR 1931 und konnte dadurch dem tragischen Schicksal seiner Brüder entkommen.

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Statistik des Monats „Juli“

Nachdem im vergangenen Monat die Arbeitsmarktbeteiligung erläutert wurde, möchten wir Ihnen in der Statistik des Monats „Juli“ im Zuge dessen die entsprechende „Stellung im Beruf von Erwerbstätigen im Alter von 25 bis unter 69 Jahren“ (Stand 2019) aufzeigen – unterteilt nach Migrationshintergrund und Geschlecht in die Bereiche „Arbeiter“, „Angestellte“, „Selbstständige“ und „Beamte“.

Dabei wird unter anderem ersichtlich, dass unter erwerbstätigen (Spät-)Aussiedlern im Alter von 25 Jahren bis unter 65 Jahren der Anteil der Arbeiter mit 36 Prozent überdurchschnittlich hoch ist. Dieser Wert ist deutlich höher als bei den Personen ohne Migrationshintergrund in der Bevölkerung (17 Prozent) und liegt auch leicht über demjenigen Wert, der den Personen mit Migrationserfahrung zugeteilt wird (33 Prozent). Zudem ist in allen Gruppen der Anteil an Männern deutlich höher als bei Frauen.

Bzgl. der Angestellten sind die Werte der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund mit 67 Prozent weitaus höher als gegenüber den anderen Gruppen der (Spät-)Aussiedler und den Personen mit Migrationserfahrungen mit 56 bzw. 55 Prozent. Hier ist in allen Gruppen ein hoher Frauenanteil zu erkennen.

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Ein Flugblatt aus dem Jahr 1990

Der Aufruf gegen die Wiederherstellung der Autonomen Sowjetischen Sozialistischen Republik der Wolgadeutschen (ASSRdWD)

Dokument des Monats

Ablichtung des Originals

Vor mehr als 30 Jahren wurde der letzte nennenswerte Versuch unternommen, die rechtswidrig aufgelöste wolgadeutsche autonome Republik wiederherzustellen. Die Geschichte dieses Scheiterns ist höchst lehrreich und hat an der Aktualität bis heute nicht eingebüßt. Die unveränderten Denk- und Handlungsweisen der föderalen und lokalen Machthaber in Russland blieben bis heute beinahe unverändert.

Als „Dokument des Monats“ möchten wir Ihnen ein typisches Flugblatt aus dieser Zeit vorstellen – ein lokal organisierter Aufruf „gegen die gewaltsame Wiederherstellung der autonomen Republik der Wolgadeutschen“. Als Urheber des Flugblatts zeichnet ein sogenanntes „Koordinationskomitee der Einwohner“ aus drei Kreisen des Gebiets Saratow, die bis 1941 administrativ der wolgadeutschen Republik angehörten: Marx (ehem. Kanton Marxstadt), Krasnoarmejsk (Balzer) und Sowjetsk (Mariental). Es muss zu Beginn des Jahres 1990 gedruckt worden sein, und zwar in der staatlich betriebenen Druckerei in Marx.

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Das Kulturerbe der Deutschen in der Ukraine

Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen setzt sich weiter konsequent mit der Geschichte und Kultur der deutschen Minderheit in der ehem. UdSSR auseinander. Auf der in Berlin vom 19. bis zum 21. Juni 2023 stattgefundenen Tagung ging es schwerpunktmäßig um das deutsche Kulturerbe in der Ukraine sowie um die gegenwärtige Lage der Minderheit angesichts des Krieges, in dem sich das Land nach dem russischen Angriff befindet.

Historische Entwicklungen in der Ukraine und die Geschichte ihrer Staatlichkeit beleuchteten in ihren Vorträgen die zwei ausgewiesene Experten Prof. Dr. Katrin Boeckh (Uni München) und Prof. Dr. Guido Hausmann (Uni Regensburg). Vor diesem Hintergrund erfolgten sowohl Beiträge zur geschichtlichen Entwicklung als auch zum kulturellen Erbe verschiedener regionalen Gruppen der Minderheiten der Galizien-, Bukowina-, Wolhynien-, Krim- und anderen Deutschen.

Unser wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Viktor Krieger referierte im Zuge dessen über die größte Gruppe unter ihnen, nämlich die der Schwarzmeerdeutschen. Aufgrund von zwei Weltkriegen, einem blutigen Bürgerkrieg, stalinistischen Verfolgungen und angesichts Deportationen und Flucht in den Westen, wurden Objekte der materiellen und geistigen Kultur der Schwarzmeer- und insgesamt der Deutschen in der Ukraine fast vollständig vernichtet. Der fast anderthalb Jahre andauernde russische Angriffskrieg zerstört unwiederbringlich auch die letzten Reste des Erbes, da die Frontlinie mitunter gerade durch die einstigen Siedlungsgebiete der nationalen Gruppe verläuft.

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Geschichte eines sowjetischen Traktors und seiner deutsch-mennonitischen Erfinder

Dokument des Monats

Auf der unten vorgestellten Zeichnung sehen Sie ein einfaches, beinahe primitives Gefährt, den Traktor der Marke Saporoschez. Dieser ging in die Geschichte als erster sowjetischer Traktor ein, der serienmäßig produziert wurde. Die Anfertigung begann 1923 und lief bis 1927; insgesamt wurden davon 500 Stück (nach anderen Angaben 800 bis 900) hergestellt. Seine Entwickler, Ingenieure Leonhard Unger (1884-1937) und Gerhard Rempel (1885-1937), stammten aus der mennonitischen Siedlung namens Kitschkas (Einlage).

Der erste sowjetische Traktor „Saporoschez“, Zeichnung aus der Zeitschrift „Technika Molodeschi“ (etwa: Technik der jungen Generation), 1975

Geschichtlicher Rückblick

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildete die Schwarzmeerregion das Zentrum des russischen landwirtschaftlichen Maschinenbaues. Die Landmaschinenindustrie im Russischen Reich erzeugte im Jahr 1911 Waren im Wert von 50.317.000 Rubel, davon fielen auf das Schwarzmeergebiet 27.210.000 Rubel, rund 54 Prozent des Gesamtwertes. Von den in der Statistik aufgeführten 164 südrussischen Fabriken befanden sich 66 in der Hand deutscher Siedler; der Jahresumsatz dieser Werke betrug 12.780.000 Rubel, d. h.  47 Prozent des Gesamtumsatzes in dieser wichtigsten Region. Man denke nur an die größte Pflugfabrik im Russischen Reich, die Johannes-Höhn-Pflugfabrik in Odessa, an die Landmaschinenfabriken Lepp & Wallmann in Chortitza oder an die Aktiengesellschaft „Handelshaus Ja. Koop – Werke für Landmaschinen und -inventar“ in Einlage (Kitschkas) – beide Ortschaften sind heute Teil der Stadt Saporoschje.

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„Die deutschsprachige Presse im Zarenreich: Geschichte, Erforschung und digitale Erschließung“ am 28. Juni 2023 um 19:00 Uhr auf Zoom

Im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland (BKDR) und dem Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg mit dem Titel „Die deutschsprachige Presse im Zarenreich: Geschichte, Erforschung und digitale Erschließung“ werden im Rahmen eines Onlinevortrages die Geschichte der deutschsprachigen Presse im Russischen Reich und Perspektiven ihrer Digitalisierung besprochen.

Der Vortrag erfolgt über die Plattform „Zoom“. Das geplante Zoom-Meeting beginnt am 28. Juni 2023 um 19:00 Uhr. Die Teilnahme am Treffen erfolgt ohne Anmeldung. Klicken Sie mit Ihrem (mobilen) Endgerät lediglich auf den nachfolgenden Link – im Anschluss an die Veranstaltung bleibt genügend Zeit für eine Diskussionsrunde:

Zoom-Meeting beitreten:

https://zoom.us/j/98960828682?pwd=QVpxSVNHTThxTEtaeFF3b291emcvZz09

Meeting-ID: 989 6082 8682
Kenncode: 979829

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Ein Brief aus Saratow (1922)

Beim Dokument des Monats „Mai“ geht es um den Briefwechsel zwischen zwei wolgadeutschen Intellektuellen, konkret um einen Brief aus dem Jahr 1922, dessen Inhalt wichtige Tendenzen des politischen, gesellschaftlichen und national-kulturellen Lebens der Wolgadeutschen widerspiegelt. Doch zunächst zu den Protagonisten: Der Verfasser des unten vorgestellten Briefes ist Georg Dinges (1891–1932). Sein Profil auf Russisch mit zahlreichen Fotografien finden Sie HIER.

Dinges war Philologe, Heimatforscher, Museologe und Ethnograph, einer der ersten Hochschullehrer aus der Mitte der Siedler-Kolonisten, ab 1923 Professor an der Universität Saratow. Er wurde 1891 im Dorf Blumenfeld, Gouvernement Samara, geboren. Nach der Absolvierung der Grimmer Zentralschule und des Ersten Saratower Knabengymnasiums studierte er von 1912 bis 1917 an der historisch-philologischen Fakultät der Moskauer Universität. Zusätzlich zur Professur leitete er ab 1926 das Zentrale Museum der deutschen autonomen Wolgarepublik in Pokrowsk (seit 1931 Engels) und hatte noch weitere Ämter inne. Außerdem nahm er an der Gründung und ferner am Lehrbetrieb der dortigen Deutschen Pädagogischen Hochschule aktiv teil.

Dinges wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Mundartenerforschung. Seine erste Publikation 1923 finden Sie diesbezüglich HIER. Zudem arbeitete er mehrere Jahre an der Erstellung des wolgadeutschen Sprachatlasses.

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  „Die Jesuiten an der Wolga“ und „Stephan Heindel“ von Hieronymus (alias Joseph Kruschinsky) – neuaufgelegt im BKDR Verlag

Pünktlich zur Leipziger Buchmesse 2023 erschien im BKDR Verlag ein Buch über das Leben und Werk von Joseph Kruschinsky (1865-1940), des letzten Generalvikars der Diözese Tiraspol, der in der katholischen Kirche als Märtyrer gilt. Neben einem wissenschaftlich kommentierten Nachdruck seiner viel beachteten historischen Studie „Die Jesuiten an der Wolga“ sowie der geschichtlichen Erzählung „Stephan Heindel“ (aus der ersten Zeit der deutschen Ansiedler an der Wolga), die er Anfang des 20. Jahrhundert im katholischen Wochenblatt „Klemens“ unter dem Pseudonym Hieronymus veröffentlicht hat, findet der Leser in diesem Band darüber hinaus wichtige Protokolle seiner Verhaftung, Verurteilung und Verbannung. Als Verfasser der beiden oben genannten und anderen Schriften gehört Joseph Kruschinsky zu jenen Autoren, deren Werke einen wichtigen Platz sowohl in der Literatur der Sowjet- bzw. Russlanddeutschen als auch in der Geschichte der katholischen Kirche in Russland und der Ukraine einnehmen. Es ist wichtig, dass diese Werke der Nachwelt erhalten bleiben und in gewissen zeitlichen Abständen neu aufgelegt werden.

Herausgegeben von Olga Litzenberger, Victor Herdt und Alexander Spack. Hardcover, 232 S., ISBN 978-3-948589-20-2, Preis: 20,- EUR (D)

Bestellen können Sie das Buch unter der E-Mail: kontakt@bkdr.de oder Tel.: 0911-89219599.

Den aktuellen Bestellkatalog des BKDR Verlags finden Sie unter: www.bkdr.de/link/bestellkatalog